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Kanadareise – Besichtigung von Vancouver Downtown

21.04.08    Montag
Aus meinem Schönheitsschlaf ist auch diese Nacht nichts geworden, ab 3ººh lag ich genau wie gestern wach im Bett. Bei dieser Reise habe ich anscheinend etwas Probleme mit der Zeitverschiebung. Abends werde ich nicht müde – na gut, das ist bei mir nicht außergewöhnlich- aber so früh wach werden ist neu.
Endlich ist es dann soweit, auch Tony regt sich und draußen zeigen sich die ersten Sonnenstrahlen. Toll, wenn das so weitergeht haben wir ja richtig Glück mit dem Wetter!
Für heute haben wir einen Besuch in Downtown  von Vancouver geplant, dort ist es sicher auch möglich endlich kanadische Dollar zu kaufen. Gestern Abend hat Ruth mir noch Kleingeld gegeben, so dass wir den Bus bezahlen können. Ruth ist die letzte Zeit beruflich sehr im Stress und wir haben verabredet, dass sie sich heute erst mal ausschläft und sich dann später eventuell mit uns trifft.
Doch zuerst gehe ich in die Küche um, wie mit Ruth besprochen, uns jedem ein Stück Brot mit Marmelade zu richten und Tee zu kochen. Als ich jedoch die Kühlschranktür öffne erlebe ich eine Überraschung – ein liebevoll gerichtetes Tablett mit Käse, Butter und Marmelade. Auf der Anrichte ist alles für das Aufgießen des Tees vorbereitet und der Tisch ist für zwei Personen gedeckt. Daneben liegt ein Zettel auf dem Ruth uns einen schönen Tag wünscht. Wann hat sie das denn  gerichtet? Letzte Nacht natürlich, obwohl es schon so spät war!

Blick auf Nord-Vancouver

Gestärkt und warm gekleidet machen wir uns auf den Weg zu der nahe gelegenen Haltestelle, wo nach einer kurzen Wartezeit auch schon der Bus kommt. Der Fahrer schaut etwas überrascht- wieso wissen wir den Fahrpreis nicht?  Doch freundlich erklärt er uns, dass in dem Ticket  auch der Seabus eingeschlossen ist. Bei dem Seabus handelt es sich um eine Personenfähre von Nord-Vancouver nach Downtown, die laut Reiseführer beste und schnellste Möglichkeit von einer Seite auf die andere zu kommen.
Doch erst einmal schaue ich mich interessiert im Bus um- nicht gerade das neueste Modell.  Erstaunlich, ich weiß nicht genau warum, hätte jedoch in einem fortschrittlichen Land wie Kanada einen moderneren Linienbus erwartet. Aber was soll´s- Hauptsache wir kommen an unser Ziel und es ist ja nichts verkehrtes an dem Bus. Vielleicht ist er ja auch jünger als er aussieht?
Die Fahrt führt durch gepflegte Straßen bis zu dem Einkaufzentrum, welches wir gestern schon kennengelernt hatten.  Hier ist auch die Haltestelle für den Seabus und der freundliche Fahrer zeigt uns noch rasch wo wir hin müssen, damit wir auch nicht verloren gehen. Es ist jedoch gut ausgezeichnet, ein roter Pfeil weist uns die Richtung und leuchtende, blinkende Zahlen lassen uns wissen wie lange wir noch Zeit zum Einsteigen haben. Fünf Minuten! Das passt ja genau! Die Fähre kommt auch wirklich auf die Minute pünktlich und nachdem die ankommenden Passagiere auf der rechten Seite ausgestiegen sind, öffnen sich für uns die Türen und gemeinsam mit den anderen Fährgästen steigen wir ein.

Canada Place

Mein Reiseführer hat nicht zuviel versprochen- nach einer fünzehnminütigen Fährpassage mit beeindruckendem Blick auf Downtown durch das große Panoramafenster, kommen wir mitten im Zentrum von Vancouver an.
Als erstes müssen wir natürlich Geld wechseln- wo ist denn hier die nächste Bank? Wir halten uns  in Richtung Canada Place, eines der Wahrzeichen der Stadt. Dieses Gebäude mit seinen fünf Segeln war ursprünglich der kanadische Pavillon der Expo 1986. Heute beherbergt er Tagungsstätten, das Pan Pacific Luxushotel, ein Schiffsterminal und ein Kino. Auf den Gehwegen rund um das Gebäude sind Informationstafeln über die Geschichte Vancouvers und des Hafens angebracht.  Jedoch-keine Bank und keine Wechselstube!  Gleichzeitig halte ich Ausschau nach der Autovermietung, bei der ich morgen früh unser gemieteten Wagen abholen soll. Doch auch in diesem Fall habe ich keinen Erfolg. Aber eins nach dem anderen- das wichtigste ist die Bank. Wir gehen an den Informationsschalter des Canada Place Komplexes und fragen bei den  beiden anwesenden  Damen nach. Freundlich und hilfsbereit erklären sie uns den Weg: „Es ist nicht weit, zwei Strassen nur und ihr seid direkt im Bankenviertel. Dort ist eine Bank neben der anderen“.  Na, prima- hört sich gut an.

Spiegelungen in Vancouver Downtown

Auf dem Weg dorthin passieren wir eine Touristeninformation, decken uns dort mit Prospekten und einer weiteren Wegbeschreibung ein und sind kurz darauf auch wirklich von Banken umgeben. Zuerst jedoch bewundere ich das Straßenbild- gläserne Wolkenkratzer in deren Straßenseite sich alte gediegene Steinfassaden und blühende Magnolienbäume spiegeln.
Welche Bank nehmen wir denn bei der großen Auswahl? Wir entscheiden uns für die erste links, gehen durch die Drehtür  und wenden uns an den sympathischen Herrn hinter einem der Schalter. „Geld wechseln?“ fragt er uns ganz erstaunt, nein er ist an unseren Euros nicht interessiert. Wir können bei ihm ein Konto eröffnen oder eine Anlage tätigen- aber kein Geld wechseln.
Also versuchen wir es bei der nächsten Bank, diesmal nehmen wir eine Kleinere und ohne Drehtür – doch leider kann man uns auch hier nicht weiterhelfen.

Downtown in Vancouver

Die vierte Bank klärt uns dann auf. „Zum Geld wechseln müsst ihr in eine Wechselstube!“ Ach so!!! Und wo gibt es eine Wechselstube?  Zuerst eine hilfloses Achselzucken, doch ein Kollege meint: „Ich glaube eine Straße weiter auf der rechten Seite, da habe ich schon mal so was gesehen.“
Und tatsächlich, direkt auf der Ecke finden wir ein kleines Büro neben dessen Tür „Geldwechsel“ steht und die Tageskurse angegeben sind. Na Gott sei Dank – endlich bekommen  wir kanadische Dollar in unseren Taschen.
Froh über unseren Erfolg machen wir uns auf den Rückweg in Richtung Canada Place um von dort unsere Besichtigungstour zu starten. Mit dem Stadtplan in der Hand suchen wir als erstes das Harbour Center auf, ein 40 Stockwerke hohes Gebäude mit einer Aussichtsplattform in der obersten Etage. Die Hauptattraktion in diesem Gebäude ist für mich jedoch der gläserne Lift, welcher an der Außenfassade entlang surrend nach oben fährt. Immer kleiner werden die Menschen und die Autos auf der Straße und schon können wir über die Dächer der anderen Häuser hinweg blicken. Ein leichtes Rucken und Schütteln, die Lifttür öffnet sich und wir sind an unserem Ziel, die Panoramaetage.

Harbour Center

Hinter der Verglasung gegenüber des Aufzugs  breitet sich die Stadt Vancouver zu unseren Füßen aus und wir überblicken ein Meer von Hochhäusern und verkehrsreiche Straßen. Zwischen all dieser modernen Architektur  steht eine hübsche kleine Kirche im Baustil der Jahrhundertwende, so als wolle sie zu den sie umgebenden Wolkenkratzern sagen: Ihr seid zwar größer, aber ich war zuerst hier!
Doch nicht nur in die Ferne können wir schauen sondern auch in die Tiefe. Durch ein Wölbung der Fenster kann ich mich etwas vorlehnen und kerzengerade nach unten  schauen. Gott sei dank bin ich schwindelfrei! Direkt unter mir ist eine Straßenkreuzung und die Fahrzeuge haben von hier oben die Größe von Matchbox-Autos. Langsam gehen wir weiter und das Bild ändert sich, anstatt der Hochhäuser erblicken wir einen Yachthafen und im Hintergrund die Bäume des Stanley Parks.

Hafen von Vancouver

Auch das unverkennbare Canada Place ist natürlich von hier gut zu erkennen.  Einige Schritte weiter und  wir haben Aussicht auf den Hafen von Vancouver und die Eisenbahnstation, von wo die unzähligen Container der Schiffsladungen an die verschiedensten Ziele in Kanada  versendet werden.
Auf der gegenüberliegenden Wasserseite liegt Nord-Vancouver und wir können das Einkaufszentrum mit der Abfahrtsstelle des Seabuses sehen. Ob wir wohl erkennen können wo Ruth wohnt? Auf der linken Seite ist die Brücke nach Nord Vancouver und meine Augen versuchen der Straße zu folgen, aber Thistle-Down  ist zu weit entfernt.
Einen fantastischen Anblick bieten jedoch die schneebedeckten Berge im Hintergrund von Nord Vancouver. Das Wetter hat inzwischen gewechselt und dunkelgraue  Wolken ziehen über die Bergkette dahin. Diese stürmisch aussehende Wolkenbank wird doch hoffentlich nicht näher kommen?
Wir setzen unseren „Rundgang“ fort und erreichen die Seite mit Blick auf das Altstadtviertel „Gastown“, danach Chinatown und von hier oben zeige ich Tony wo wir heute noch überall hin möchten. „So weit?“ meint Tony ein wenig erschrocken. Doch das sieht von hier oben weiter aus als es ist, da bin ich mir (fast) sicher. Einige Meter weiter haben wir das Harbour Center in einer Höhe von 167 m umrundet und sind wieder an unserem Ausgangspunkt mit Blick auf die Kirche gelandet. Inzwischen sind die schwarzen Wolken auch auf dieser Seite Vancouvers angekommen- na ja, Hauptsache es regnet nicht!
Mit dem Außenlift surren wir wieder nach unter – ich liebe dieses Hochsausen des Magens, es ist fast wie Achterbahn zu fahren.

Stromkabel in Downtown

Auf der Straße angekommen nehmen wir direkten Kurs auf „Gastown“ und dazu machen wir uns mit dem Stadtplan auf die Suche nach der Water Street. Wir biegen links ab und dort vorne kommen auch schon die ersten Häuser des Altstadtviertels in Sicht. Doch was ist das denn? Ein Blick in eine der Seitenstraßen lässt mich verblüfft stehen bleiben. Eine enge Gasse mit Strommasten und ein Gewirr von Kabeln und Stromleitung, die an die verschiedensten und abenteuerlichsten Sicherungskästen angeschlossen sind. Ist das die kanadische Stromversorgung? Und das funktioniert? Alles über Putz bei so viel Regen? Das muss doch sicher noch aus der Pionierzeit stammen!
Die nächste Querstraße ist dann wie vermutet tatsächlich die Water Street und wir schlendern langsam vorbei an Souvenirgeschäften mit Bären-T-Shirts auf denen Dinge stehen wie „bringt mir noch einen Touristen, der letzte war hervorragend!“  Trotz des inzwischen recht kalten Windes ist die Straße sehr belebt, leger gekleidete Touristen und Geschäftsleute in Anzügen sind unterwegs. Dazwischen sitzt hin und wieder ein Strassenmusikant  oder der ein oder andere Obdachlose. Ein unrasierter Mann in einem abgetragenen Trenchcoat tritt mit offener Hand auf uns zu und meint: „Ich bin verkatert! Könnt Ihr mir nicht helfen das zu ändern?“

Steam Clock

Da entdecke ich an der Straßenecke eines unserer Ziele in Gastown – die Steam Clock. Sie war die erste dampfgetriebene Uhr der Welt und auch heute noch stößt sie alle Stunde eine Dampfwolke aus. Statt des viertelstündlichen Glockenschlags spielt sie eine Melodie, die den Glockenschlag von Big Ben imitiert. Wir sind um genau drei Minuten zu spät, die Uhr „dampft“ noch und ich mache erst mal Fotos von allen Seiten. Was nun? Mehr als zehn Minuten warten? Der Wind pfeift hier auf der Ecke eisig und wir entscheiden uns erst mal weiterzugehen. Vielleicht sind wir in zehn Minuten noch in der Nähe und können zurückkommen um der Big Ben- Melodie zuzuhören.
Eine weitere „Sehenswürdigkeit“ in Gastown ist nicht weit von uns entfernt am Maple Tree Square.

Gassy, der berühmte Saloonbesitzer

Es handelt sich um die Statue von „Gassy Jack“, einem legendären Saloonbesitzer, nach dem „Gastown“ benannt wurde. Er steht auf einem Whiskyfass und erinnert an längst vergangene Zeiten. Vielleicht war  er beim Verlegen  der Stromkabel dabei,  die wir in der Seitenstraße  gesehen haben?
Direkt hinter „Gassy Jack“ finden wir ein Geschäft für alles was ein Cowboyherz begehrt – Cowboyhüte, Revolvergürtel, Sporen, Cowboystiefeln in allen Varianten und viele andere Dinge die ein echter Westmann braucht. Das ganze für Herren und natürlich auch für Damen. Wir halten uns zum Aufwärmen eine Weile in dem Laden auf und ich bewundere rosafarbene und grün-gelbe Damen- Cowboystiefel , auf Wunsch auch mit Perlen besetzt.  Da der Verkäufer uns anfängt skeptische Blicke zuzuwerfen knöpfen wir die Jacken wieder zu und wagen uns von neuem in die Kälte.
Wir sind durch den Besuch im Cowboyladen rechts von der Water Street abgebogen und wenn ich mich richtig orientiert habe, kommen wir auf dieser Strasse direkt nach China Town. Das ist unser nächstes Ziel und wir werden dort sicherlich an einem der vielen Stände oder kleineren Lokale ein leichtes chinesische Mittagessen bekommen.

Grossstadtprobleme in Vancouver Downtown

Der Weg führt uns durch eine etwas kleiner Straße und hier, leicht abseits der Touristenzone, treffen wir auf die heutzutage überall zu findenden „Großstadtprobleme“. Obdachlose mit ihrem gesamten Hab und Gut in einem Einkaufswagen oder in Plastiktüten. Alkoholisierte Männer und Frauen in Hauseingängen, unter ihnen sehr viele Rollstuhlfahrer. Auf halber Strecke nach Chinatown ist ein „Treffpunkt“, hier scheinen sich alle zu kennen und in der gleichen sozialen Situation zu leben.
Doch eine Ampel weiter ändert sich das Straßenbild – wir sind in der Carrall Street und hier beginnt auch das chinesische Viertel von Vancouver. Als erstes statten wir hier dem klassischen chinesischem Garten Dr. Sun Yat-Sen einen Besuch ab. Der Garten ist anlässlich der Weltausstellung 1986 zu Ehren des chinesischen Staatsmannes und Revolutionärs Sun Yat-Sen entstanden. Es war der erste Garten, der von chinesischen Gartenarchitekten außerhalb Chinas angelegt wurde.

chinesischer Garten

Die Anlage ist kleiner als ich erwartet habe und bedingt durch die Jahreszeit auch noch recht karg und kahl. Sicherlich ist in einem Monat hier alles am blühen und grünen. Da wir inzwischen müde und ein klein wenig hungrig sind halten wir uns nur kurz hier auf und machen uns auf „Restaurantsuche“. Vor allem erst mal sitzen, das ist im Moment das wichtigste.
Wir starten unsere Suche in der Main Street und  gehen ein Stück die Pender Street hinauf. Doch so recht gefällt uns keine dieser Garküchen. So gerne wie ich alles Neue ausprobiere, hier kommt mir das, was ich sehe, doch sehr „chinesisch“ vor. Vieles köchelt in großen Töpfen vor sich hin und sieht genauso undefinierbar aus wie  es riecht. Mit müden Füßen schleppen wir uns dahin und hoffen irgendwo etwas zu sehen was nach einer Frühlingsrolle aussieht- aber alles bleibt fremd, unbekannt und für meine Augen und Nase nicht sehr einladend. Zwischen all den Garküchen, Schnellimbissen und Restaurants liegen kleine Supermärkte. Mal schauen was es da so gibt! Hmmm- hier riecht es erst mal sehr gut! Nach frischen Kräutern und Gingseng! Daneben liegen  chinesischen Nudeln und verschieden kleine Flaschen mit Gewürzen.  Als ich ein wenig tiefer in den Markt vordringe wird das Angebot entschieden exotischer: getrocknete Eidechsen und Seepferdchen- was kocht man denn mit Seepferdchen?
Auch getrockneter Fisch und getrocknete Garnelen sind hier zu bekommen. Und ein riesengroßes Angebot an Lebensmittel die mir absolut unbekannt sind.
Was nun? Als erstes werde ich mal Ruth anrufen, hören wie es ihr geht, ob sie gut geschlafen hat und ob sie für den Nachmittag Pläne hat. Sie klingt am Telefon entschieden munterer als gestern und das längere Schlafen hat ihr hörbar gutgetan. Wir verabreden uns für den Spätnachmittag  zu Hause, so kann sie noch einige liegengebliebende Dinge erledigen.
Für diesen Anruf haben wir uns kurz auf eine Bank gesetzt und es fällt mir schwer meine müden Füße wieder in Bewegung zu setzten, allein die kalte Temperatur hält mich in Bewegung. Wir brauchen dringend eine Erholungspause, egal wo, vor allem da es nun auch noch anfängt zu regnen. Da entdecke ich jedoch unsere Rettung! Ein Einkaufszentrum – hier werden wir doch etwas finden! Und wir sind erst mal im Warmen und unerreichbar für den immer stärker werdenden Wind. Im oberen Stockwerk sehe ich Tische und Stühle und beschließe- da setzen wir uns hin, egal was es dort gibt.
Es sind verschiedene Nationalitäten vertreten:  koreanische, thailändische, japanische und chinesische Imbissbuden. Wir nehmen gleich den ersten Stand- chinesische Küche und es sieht eigentlich alles gut aus. Wir entscheiden uns für Schweinefleisch süß sauer, Huhn mit Reis und ein vegetarisches Gericht. Das vegetarische Gericht ist hervorragend und lecker gewürzt, beim Huhn mit Reis schmeckt der Reis zwar auch- das Hühnerfleisch bleibt jedoch auf dem Tellerrand. Es ist auch nicht so viel Fleisch sondern eher Knorpel, Haut und viel Fett. Halt eben alles was an einem Huhn auch noch so dran ist neben dem Fleisch. Mit dem süß sauren Schweinefleisch überlasse ich Tony seinem Schicksal, da halte ich mich lieber raus als ich auf seinen Teller schaue! Er ist jedoch nicht ganz so pingelig wie ich, schlägt sich tapfer und schneidet nur die dicksten Fettschwarten ab.
Inzwischen geht es uns wieder besser, die Ruhepause mit Wasser und Coca Cola hat uns beiden gut getan und wärmer ist uns auch wieder geworden. Interessiert sehen wir uns um- wir könnten tatsächlich auch irgendwo in Asien sein. So weit ich sehen kann sind wir hier in diesem Stockwerk die einzigen „Westler“. Was mag es denn an den koreanischen, thailändischen und japanischen Essensständen geben? Vielleicht hätte es uns dort besser geschmeckt?  Nach einem kurzen Rundgang mit Blick auf die Angebote sind wir beruhigt – es gibt überall das gleiche! Und bei genauerem hinschauen sieht es auch alles gleich aus, vermutlich werden hier sämtliche Imbissbuden  von der selben Großküche beliefert.

Vancouver

Langsam gehen wir nach unter, schlendern durch das Erdgeschoss und dann bleibt uns nichts anderes übrig als uns erneut der Kälte und dem eisigen Wind auszusetzen. Unser Ziel ist den kürzesten Weg zum Seabus zu finden und wieder ins warme, gut geheizte Thistle Down zu fahren. Doch wir sind noch nicht weit gekommen, da fallen große dicke Regentropfen und Tony macht einen guten Vorschlag. „Lass uns irgendwo einen Kaffee trinken gehen, da ist es warm. Außerdem liegt mir das süß saure Schweinefleisch im Magen, vielleicht hilft mir der Kaffee!“  Da die Lokale sich hier alle sehr ähneln, nehmen wir das nächste an dessen Fenster mit großen roten Buchstaben Coffee and Tea angeschrieben steht. Es ist zwar nicht allzu sauber, aber warm und Tony bestellt sich einen Kaffee, den er in einem großen Pappbecher serviert bekommt.  Ich entscheide mich für einen Tee und kann mir die Sorte an dem Regal mit verschiedenen Teesorten aussuchen. Den gewählten Teebeutel übergebe ich dem Wirt und warte nun auf meine Tasse  heißen Tee. Und da kommt meine Getränk ja auch schon! Ein Pappbecher mit einem halben Liter heißem Wasser und darin schwimmt einsam und verloren der kleine Teebeutel! Soll ich nach einem zweiten Teebeutel fragen? Auf einen halben Liter Wasser reicht das wohl auch nicht. Außerdem- im Pappbecher! Nun, auf jeden Fall wärmt der Becher meine Hände und ich schaue zu wie sich das Wasser langsam ganz leicht verfärbt. Wie ist denn Tonys Kaffee? „Dünn“ kommt die kurze aber präzise Antwort. Ich nippe kurz an meinem Becher: „Der Tee auch!“  Wir bleiben genau so lange bis uns wieder warm ist und Tony hat sogar seinen Kaffee bis auf einen kleinen Rest getrunken. Bei anderen Gästen haben wir beobachtet, dass jeder seinen Becher nach sich wegräumt und am Ausgang in den dafür vorgesehenen Abfalleimer wirft.  Doch was mache ich mit einem halben Liter Wasser? Das tropft doch durch! Also wende ich mich an den Wirt und frage ob er nicht lieber den Becher wegräumen möchte.  Voller Erstaunen und Unverständnis schaut in meine riesige  Papptasse und fragt mit verblüffter Stimme: „You don´t wont it?“ Auf mein Kopfschütteln hin nimmt er das Getränk und trägt es, ebenfalls kopfschüttelnd, sehr sehr vorsichtig in die Küche.
Wieder auf der Straße knöpfen wir die Jacken bis oben zu, ziehen den Kopf zwischen die Schultern und stemmen uns gegen den immer stärker werdenden Wind. Doch dann sehen ich aus den Augenwinkeln die von mir gesuchte U-Bahn Station „Stadion“. Erstaunlicherweise heißt die Untergrundbahn hier „Skytrain“, wichtig ist jedoch- sie bringt uns fast bis zum Seabus und wir brauchen nicht mehr laufen! Erleichtert sitzen wir in der Bahn, fahren mit bis zur Endstation  „Waterfront“ und können von hier aus durch ein Einkaufszentrum unterirdisch bis zur Haltestelle des Seabusses gehen. Geschafft, wir sind auf dem Rückweg! Als wir in Nord-Vancouver aussteigen haben wir nochmals Glück und erwischen den Bus zur Capilano Road kurz vor der Abfahrt. Nun heißt es aufpassen- nicht dass  wir zu weit fahren und wieder zurück müssen. Es muss der Stopp direkt nach der Suspension Bridge sein- und da ist ja auch schon das Schild, welches auf den Eingang hinweist. Also der nächste Halt, ich drücke auf den Knopf und die Tür geht zischend auf. Rasch steigen wir aus und sehen dem Bus nach wie er hinter der Kurve verschwindet. Wir folgen der ansteigende Straße, gehen um die Kurve- und sehen die nächste Haltestelle. Direkt vor der Einfahrt von Thistle Down!

der Garten von Thistle Down

Endlich sind wir den Berg oben, stehen vor der Haustür und ziehen uns mit letzter Kraft die drei Treppen nach oben. Tony murmelt noch : „Da hätte man ja vorher fragen können“ – vermutlich spricht er von der Bushaltestelle. Nach einer kurzen Begrüßung von Tosh und natürlich auch Ruth und Rex gehen wir in unser Zimmer, ziehen die Schuhe aus und legen uns auf das Bett. Was für eine Wohltat! Es dauert auch nicht lange und ich kann hören, dass Tony tief und fest schläft.
Doch knappe zwei Stunden später heißt es wieder aufstehen, denn nach wie vor fehlt ja noch die Blende für den Fotoapparat und Ruth fährt mit uns in ein großes Einkaufscenter in West-Vancouver. In dem dortigen Fotogeschäft fragen wir einen der Verkäufer und tatsächlich- er nickt und meint: „Of course- selbstverständlich haben wir so eine Blende“. Er ist uns noch behilflich beim Anbringen an die Kamera und nun ist Tony gut gerüstet für unsere „Bären-Foto-Jagd“.

Abendstimmung in West Vancouver

Nach diesem erfolgreichen Einkauf zeigt Ruth uns ein wenig mehr von West-Vancouver. Bei einem kleinen Spaziergang haben wir einen wunderschönen Blick bis Vancouver Island und  die gerade untergehende Sonne taucht das Meer und den Himmel in alle Farbnuancen zwischen Orange- Rot-und Pink.
Ruth möchte das noch verbleibende Tageslicht nutzen und mit uns zu einem hoch gelegenen Aussichtspunkt auf der Cypress-Bowl-Zufahrt fahren. Diese kurvenreiche Straße fürt zu dem Cypress Provincial Park und in jeder Kurve bietet sich uns ein atemberaubender Blick auf das inzwischen in ein Lichtermeer getauchte Vancouver. Immer höher geht es hinauf, rechts und links der Straße sind Schneewehen und etwas tiefer im Wald ist der Boden schneebedeckt.
Ruth hatte gehofft  zur Zeit der Abenddämmerung Tony und mir unseren ersten Bären zeigen zu können, aber heute  lässt sich kein „Meister Petz“ am Straßenrand sehen.
Das Tageslicht verschwindet immer mehr und wir beschließen umzukehren um den geplanten Halt am Aussichtspunkt noch einlegen zu können. Bisher ist uns kein anderes Fahrzeug begegnet, es ist einsam und kalt hier oben in den Bergen obwohl wir nur eine halbe Stunde von der Millionenstadt Vancouver entfernt sind.
Doch was ist das? Ein anderes Auto am Straßenrand! Was machen die denn da? Bei dieser Kälte sitzen zwei junge Männer in karierten Hemden und Bierflasche in der Hand auf dem Boden mit  dem Rücken an das Auto gelehnt. Ob die sich in der Jahreszeit geirrt haben? Oder vielleicht verstecken sie sich hinter dem Auto vor einem Bär? Weder noch – auf den zweiten Blick erkennen wir ein  Kamerateam. Hier wird ein Film gedreht und was wir sehen sind die Schattenseiten des Berufes Schauspieler.  Schon von hinsehen bekomme ich eine Gänsehaut und ziehe meine Jacke enger um mich. Selbst im Auto bemerken wir, das die Temperaturen hier oben erheblich niedriger sind .
Nun haben wir unser Ziel, den Aussichtspunkt, erreicht und Ruth parkt das Auto vor einem großen Picknick Platz mitten im Wald. Hier kommt sie im Sommer oft mit Rex zum Entspannen und Picknicken her. Sehr anschaulich erzählt sie uns von den Erlebnissen, als ein Bär gegen Abend einige Meter entfernt an ihnen verbeigetrottet ist. Ach ja?  Ich schau mich doch lieber mal genauer um, ehe ich aus dem Auto steige und quer über das Gelände zum besten „Viewpoint“ gehe. Aber die Luft ist rein, kein Bär zu sehen und ich steige mit Ruth und Tony aus dem Auto. Der Kälteschock trifft mich bis ins Mark, ein eisiger Wind schlägt mir entgegen und  mir stockt fast der Atem.  Der einzige dem anscheinend die Kälte nichts ausmacht ist Tosh. Fröhlich hüpft er aus dem Auto, voller Vorfreude auf einen späten Spaziergang.
Doch das Frieren lohnt sich, als wir an dem Aussichtspunkt ankommen erleben wir ein überwältigendes Panorama. Zu unseren Füßen liegt das nächtlich beleuchtete Vancouver mit dem Stanley Park im Vordergrund. Ruhig stehen wir da, zittern vor Kälte und genießen den Ausblick. „Brrrrrrrrr“ höre ich auf einmal und mein Herz bleibt vor Schreck fast stehen. Das war ganz nahe, ich habe es genau gehört. Steht ein Bär hinter uns? Vorsichtig schaue ich über meine Schulter. „Brrrrrrrr“ macht es nochmal  und nun erkenne ich  was dieses Geräusch verursacht.  Es ist die Laufleine von Tosch! Na so was – das verrate ich jetzt aber keinem!
Wir sind inzwischen genug durchfroren und machen uns im Schnellschritt auf den Weg zum Auto. Dort angekommen startet Ruth den Wagen,  stellt als erstes die Heizung auf die höchste Stufe und telefoniert danach mit Rex. „Wir sind auf dem Rückweg “ teilt sie ihm mit und bittet ihn die Küche gut zu heizen und schon mal eine Suppe für uns zu wärmen. Das hört sich gut an und wird mich vermutlich wieder auftauen.
Die Fahrt geht die Kurven hinunter, danach ein Stück auf dem Highway und in weniger als einer halben Stunde sind wir in Thistle Down. Dort ist die Küche inzwischen mollig warm, die Suppe schmeckt hervorragend und bald ist mir wieder warm. Macht das die Suppe oder möglicherweise der Rotwein? Als Nachtisch gibt es noch ein wenig Käse mit einem weiteren Glas Wein und bald haben wir auch alle die nötige Bettschwere um schlafen zu gehen. Morgen früh werden Tony und ich das bestellte Mietauto abholen und anschließend zu unserer Rundreise starten. Ruth hat mir heute Mittag noch einige Tipps für eine schöne Route gegeben und mir auf einer Landkarte gezeigt, wie wir am besten auf den Highway und aus Vancouver herauskommen.
Als ich im Bett liege lasse ich den heutigen Tag gedanklich an mir vorüberziehen und mit dem Gedanken an das gefährlich klingende „Brrrrrr“ am Aussichtspunkt schlafe ich tief und fest ein.

Kanada- eine Rundreise durch British Columbia

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Über den Autor

Elke Hoppe

Vor ca. 20 Jahren bin ich von Deutschland nach Spanien ausgewandert, um auf der Sonnenseite Europas leben zu können. Doch auch von hier aus habe ich das Bedürfnis mehr von der Welt kennen zu lernen. Da es mir zeitlich und beruflich möglich ist, mache ich seit 2005 einmal im Jahr eine „große Reise“. Begleitet werde ich dabei von Edith, meiner Mutter, die vor 18 Jahre ebenfalls aus dem deutschen Regen in die spanische Sonne geflüchtet ist. Bisher hat uns unsere Reiselust nach Asien, Kenia und Peru geführt. Für das Jahr 2009 hatten wir uns für Indien entschieden und dort neben Rajasthan inzwischen auch andere Regionen besucht. Auf den Rundreisen in Indien waren wir in Begleitung von unserem Fahrer Prakash Acharya. Er ist ein zuverlässiger und informativer Reisebegleiter, den ich sehr empfehlen kann. Prakash hat sich vor einigen Jahren selbständig gemacht und falls jemand mit ihm eine Rundreise machen möchte bin gerne bereit den Kontakt herzustellen.

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