Kanada Erlebnisse – von Jasper bis nach Prince George
Freitag
Wir werden heute von Sonnenschein geweckt und unsere Laune steigt erheblich. Als um 9ººh das Touristeninformations- Büro öffnet stehen wir schon vor der Tür. Wir bekommen eine Karte mit den eingezeichneten Wanderwegen und anzufahrenden Zielen. Sind die Wege denn geöffnet? „Oh yes, of course!“ ist die positive Antwort. „Aber ihr braucht auf jeden Fall Wanderstöcke! Denn die Wege sind verschneit und es ist immer möglich, das sich unter der Schneedecke eine Eisschicht befindet.“ Das hört sich nicht so gut an, vor allem wenn es bergab geht. Er empfiehlt uns als erstes den Wanderweg von 8 km rund um Jasper zu nehmen, dort liegt nicht so viel Schnee und die Wege sind daher relativ frei. „Gibt es dort Bären?“ möchte Tony wissen. „Ja, es sind dieses Jahr schon einige gesehen worden“ bekommen wir als Antwort. „Also seid nicht zu leise, macht Lärm und passt auch bei den Elchen auf. Die Bullen können jetzt während der Brunft sehr gefährlich sein!“
Also machen wir uns auf den Weg mit dem festen Vorsatz sehr sehr leise zu sein, damit wir nicht aus Versehen einen Bär verscheuchen. Der Weg führt uns zum Ortsende von Jasper, dann an der Eisenbahnlinie entlang und nach einem kleinen Anstieg sind wir auf einem Waldweg. Nachdem wir eine Brücke überquert haben nimmt der Baumbestand zu und wir werden vom Wald verschluckt. Die Sonnenstrahlen bleiben in den Ästen und Tannennadel stecken und erreichen kaum den Boden. Hier, an diesen dicht bewachsenen Stellen liegt auch noch reichlich Schnee und stellenweise ist der Untergrund tatsächlich vereist. Bei den Steigungen müssen wir beide aufpassen, damit wir nicht ins Rutschen kommen. Leise schleichen wir weiter, langsam lichtet sich der Wald und die Wege sind im Moment fast schneefrei. An einer Stelle haben wir Blick auf den weit unter uns liegende Ort Jasper.
Tony bleibt auf einmal ruckartig stehen und zischt mir ein leises „Psssst!“ zu. Dann zeigt er mir was ihn zu diesem abrupten Halt gebracht hat. Drei Cariboos, oder wie Tony meint evt. Wapitihirschkühe, stehen zwischen den Bäumen und sind auf der Suche nach den ersten frischen Grashalmen. Reglos verharren wir in unserer Position und trauen uns kaum zu atmen um die Tiere nicht zu erschrecken. Nach einer Weile hole ich im Zeitlupentempo meinen Fotoapparat aus der Jackentasche. Vorsichtig gehe ich einen Schritt weiter, hoffentlich vertreiben meine Bewegungen nicht die sicher sehr scheuen Tiere.
Ich bin gerade bei meinem zweiten Schnappschuss als wir laute Schritte und keuchenden Atem vernehmen. Was ist das? Jetzt kommt die Lärmquelle in Sicht- ein Jogger der uns im Dauerlauf bergauf entgegenkommt. Tony gibt ihm Zeichen, denn sicher hat er die grasenden Tiere nicht gesehen. Erstaunt hält der junge Mann an und zieht die Stöpsel seines CD-Players aus den Ohren. Flüsternd machen wir ihn auf die Cariboos aufmerksam. „Oh yes“, klärt er uns mit lauter Stimme auf „davon laufen hier viele herum. Und weiter unten ist eine ganze Herde Elchkühe.“ Freundlich lächelt er uns an (aus?), steckt sich seine CD-Stöpsel in die Ohren und trabt mit schweren Schritten weiter. Und die Cariboos? Sie grasen friedlich weiter und haben sich in keiner Weise von dem Jogger stören lassen.
Wir entschließen uns unseren Weg fortzusetzen und hoffen darauf auch die Elche zu sehen. Unterwegs begegnen uns nochmal zwei Cariboos, es ist eine Kuh mit ihrem Jungen. Das Jungtier ist scheu und vorsichtig, doch die Mutter lässt sich nicht von unserer Anwesenheit stören. Auf zarten Beinen gehen sie beide wenige Meter von uns entfernt vorbei.
Der Weg verläuft nun steil nach unten und wir können schon von weitem die ersten Häuser sehen. Ein gelbes Hinweisschild an einem Baum bittet die Radfahrer langsam zu fahren und damit Rücksicht auf die Fußgänger zu nehmen. Diese Bitte ist humorvoll und witzig bildlich dargestellt.
Wir erreichen das Tal und somit das andere Ende von Jasper ohne den Elchen zu begegnen. Doch wir sind froh die Cariboos beobachtet zu haben, wie sie ohne Scheu durch den Wald gehen und Spaziergänger fast ignorieren. Das einzige Zeichen, dass sie uns bemerkt haben, war die Bewegung der großen Ohren. Wie ein Radar waren sie auf uns gerichtet und haben jeden unserer Schritte „belauscht“.
Der Wanderweg führt uns zurück auf den Connaught Drive, die Durchgangsstraße von Jasper.Hier liegt auch unser Hotel und wir müssen uns nun überlegen ob wir in Jasper bleiben oder weiterfahren.
Obwohl uns der heutige Spaziergang sehr gut gefallen hat, entschließen wir uns für die Weiterfahrt. Auch wenn die Trails geöffnet sind- durch knöchelhohen Schnee mit vereistem Untergrund zu wandern lockt uns beide nicht. Die Wettervoraussicht lädt auch nicht zum bleiben ein, der heutige Sonnentag soll für die nächste Zeit der einzige bleiben. Ab morgen ist wieder Schneefall vorhergesagt. Daher verlassen wir auch Jasper nach nur einer Übernachtung und machen uns auf den Weg in Richtung Pazifikküste.
Unser Ziel für heute ist das knapp 300 km entfernte Prince George, wo wir übernachten möchten. Die Fahrt auf dem Yellowhead Highway führt entlang der Cariboo Mountains durch das Fraser Valley. Wie auch die Tage zuvor ist die Landschaft atemberaubend, vor allem wenn man wie wir im geheizten Auto sitzt. Doch je weiter wir an Höhe verlieren und uns dem Tal nähern, um so weniger Schnee liegt an den Straßenrändern.
Das Wetter ist nach wie vor sonnig und an einem nur halb vereisten See machen wir einen Abstecher auf den dazugehörigen Parkplatz . Eine Wanderkarte ist ausgehängt und wir schauen ob wir nicht einen kurzen Rundweg finden. Doch nicht nur die Wanderkarte hängt aus- ein weiteres Schild weckt meine Aufmerksamkeit.
Darauf steht der Hinweis, das dieser Parkplatz sehr häufig von Dieben frequentiert wird. Wir sollen bitte keine Wertsachen im Auto lassen! Keine Wertsachen? Im Kofferraum ist unser gesamtes Gepäck!
Ich halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass sich heute ein Dieb hierher verirrt. Für ein Auto stellt sich doch keiner den ganzen Tag bei der Kälte in den Wald! Das gilt bestimmt erst ab Mai. Doch Tony will sich nicht auf den Saisonbeginn verlassen und möchte in der Nähe des Autos bleiben. Direkt hinter dem Parkplatz ist ein kleiner Bach mit einer Holzbrücke die wir überqueren. Dahinter beginnen die Wanderwege und ein weiteres Hinweisschild gibt dem Wanderer wichtige Informationen: SIE BETRETEN LAWINENGEBIET. FUNKGERÄTE, SCHAUFELN, ERSTE HILFE AUSRÜSTUNG UND ERFAHRUNG BEI LAWINENGEFAHR SIND STRENGSTENS EMPFOHLEN!
Was die Diebeswarnung nicht geschafft hat gelingt diesem Hinweis – auch ich möchte mich nicht allzu weit vom Parkplatz entfernen.
Also zurück zum Auto und weiter geht es auf dem Highway der rechts und links vom Wald gesäumt ist. Die hohen Berge der Rocky Mountains bleiben zurück und die Landschaft verändert sich. Schnurgerade führt der Highway nach Westen und wir sehen häufig Hinweisschilder „Vorsicht Wildwechsel“. Nach einer Weile werden die Angaben konkreter: „Vorsicht Elche“. Ob wir heute doch noch einen Elch zu sehen bekommen? Inzwischen fängt die Dämmerung an und zu dieser Zeit ist es am wahrscheinlichsten Wildtieren zu begegnen. Vielleicht sogar einem Bär?
Nein, ein Bär ist das sicher nicht was gerade die Straße kreuzt. Was mag das sein? Auf diese Entfernung unmöglich zu erkennen, aber auf jeden Fall erst mal langsam abbremsen. Wir kommen näher und das Tier hat inzwischen die Hälfte der Straße überquert. Ein Fuchs? Als wir auf gleicher Höhe mit ihm sind steht der vermeidliche „Fuchs“ wenige Meter entfernt am Waldrand und schaut in unsere Richtung. Na nu, der hat ja ein ähnliches Gesicht wie meine Hündin Tuffi ! Die Ohren und die Schnauze – wie ein Hund. Und die Beine sind doch viel zu hoch für einen Fuchs. Auch die Farbe des Fells passt nicht! Tony hat den gleichen Gedanken wie ich: „Ein Wolf!“ höre ich ihn. „Das ist ein Wolf!“ wiederholt er fast ungläubig. Doch noch bevor ich antworten kann ist der Wolf zwischen den Bäumen verschwunden. Langsam fahren wir weiter, sprachlos von dieser überraschenden Begegnung. Was für ein schönes Tier mit faszinierenden Augen. Soviel wie ich von Wölfen weiß, sind sie sehr scheu und meiden die Nähe des Menschen. Um so mehr freuen wir uns, eines dieser leider immer seltener werdenden Tiere in Freiheit gesehen zu haben.
Doch nicht nur der Wolf wollte die Straßenseite wechseln. Mit zunehmender Dämmerung kommt mehr Wild aus dem Wald und möchte den nicht ungefährlichen Seitenwechsel machen. Eine Wapitihirschkuh steht am Straßenrand, nimmt einen halbherzigen Anlauf und weiß nicht so recht ob sie sich trauen soll. Ich fahre fast im Schritttempo an ihr vorbei, immer bereit auf die Bremse zu treten. Ein Eichhörnchen sehen wir im letzten Moment die Straße überqueren. So ein leichtsinniger Wicht! Gott sei Dank haben wir schon seit über einer Stunde kein anderes Auto gesehen und so kann ich ohne Gefahr bremsen.
Es ist fast schon dunkel als wir Prince George erreichen. Auf unsere Straßenkarte ist dies eine größere Stadt und sicher werden wir hier kein Problem haben ein Hotel zu finden. Am Bahnhof ist ein Informationsschalter und wir fragen bei den beiden jungen Frauen nach. Hilfsbereit zeichnen die beiden Kreuzchen in einen Stadtplan und schreiben den jeweiligen Hotelnamen dazu. „Die Hotels sind alle Downtown und liegen dicht zusammen.“ Und wo ist Downtown? „Direkt hier gegenüber, an dieser Straße entlang. Rechts ist die bessere Gegend. Links müsst ihr ein wenig aufpassen, das ist die gefährlichere Gegend .“ Staunend schaue ich auf Prince George´s Downtown. Ich dachte das sind Lagerhallen und gehören zum Bahnhof. Die Gebäude haben den architektonischen Chic von Schuhkartons. Viereckig, schmucklos, alles ganz gerade und die meisten zwei Stockwerke hoch. Als wir dann mit dem Auto durchfahren sehe ich die Reklametafeln für Bars und Restaurants und wir finden auch die empfohlenen Hotels. Nach der üblichen kritischen Suche entscheiden wir uns für ein Inn, natürlich auf der rechten Seite von Downtown.
Als wir die Koffer in unserem Zimmer abstellen sind wir müde und hungrig. „Hast du hier in der Nähe ein Restaurant gesehen?“ frage ich Tony. „Nein“ begleitet von einem Kopfschütteln ist die Antwort. Inzwischen ist es nach 20ººh und wir sollten uns beeilen um ein noch offenes Lokal zu finden. Denn nach einem regen gesellschaftlichen Nachtleben sieht es in Prince George nicht aus.
Wir verlassen unser Hotel und gehen einmal um das Häuserviertel, aber sehen nichts was besonders einladend wirkt. Doch direkt um die Ecke, da habe ich doch irgendwas von „Griechisches Restaurant“ gelesen. Wir schauen nochmal nach und tatsächlich- versteckt hinter einem blinkenden Neon-Sektglas und der lila-farbigen Neonaufschrift „Bar“ ist ein Restaurant.
Wir sind die einzigen Gäste in dem relativ großen Raum, doch die Küche ist noch geöffnet. Wir haben uns schnell entschieden- einen Spieß mit Salat und dazu eine große Portion Tsasiki.
In der Wartezeit kommen wir mit der Besitzerin des Lokales ins Gespräch. Sie ist Griechin und vor 50 Jahren mit ihrem Mann nach Kanada ausgewandert. „Zu Anfang war es sehr schwer“ erzählt sie uns „doch mittlerweile ist Kanada meine Heimat“ . War sie denn die ganze Zeit in Prince George? „Nein,nein“ klärt sie uns auf „aber hier ist das Klima ausgeglichener. Die Winter sind nicht so kalt.“ Ach ja?????? 🙁
Doch nun kommt unser Essen und damit auch ihr Mann aus der Küche. Er setzt sich an einen Tisch in unserer Nähe und schaut zufrieden zu wie es uns schmeckt. Das Fleisch ist zart und gut gewürzt und am Tsatski ist reichlich Knoblauch. Lecker! Der Koch freut sich über unser Kompliment und möchte wissen wo wir herkommen und wo wir hin wollen. Es dauert bei der Plauderei nicht lange und es kommt die Frage „Gibt es hier Bären?“ .
Nun ist der griechische Koch in seinem Element, denn er ist begeisterter Jäger und daher auch Spezialist für Grizzlybären. Jeden Sonntag geht er mit seinem Freund auf die Jagd und da sind ihm schon die größten Grizzlys gegenübergestanden. Auge in Auge! „Er hat sich aufgestellt und war soooo groß“ schildert er lebhaft während er versucht mit der Hand die Größe des Bären anzuzeigen. Doch obwohl er sich bei dem Versuch auf die Zehenspitzen stellt reicht seine Körpergröße nicht aus um dem Grizzlybären gerecht zu werden. „Und die Pranken, solche Pranken und die Krallen waren soooo lang!“ Die Länge der Krallen kann er uns genau zeigen, dafür reicht seine Körpergröße. Seiner Frau scheint die Jagd nicht besonders am Herzen zu liegen. Oder warum sollte sie sonst so mit den Augen rollen? 😉
Als wir uns eine Weile später verabschieden brauchen wir nicht mal auf die Straße sondern können durch eine Seitentür direkt an die Rezeption. Der griechische Jägersmann weist uns noch darauf hin, das sie Frühstückstisch anbieten und ab 8ººh geöffnet haben. Wir können direkt durch die Seitentür wieder reinkommen. Er ruft nochmal ein freundliches „good night“ und eine gute Nacht werden wir sicherlich auch haben.
Hallo Elke!
Mit Interesse habe ich Ihren Reisebericht gelesen.
Ich nehme an, die Kanadareise hat Ihnen gut gefallen?
Nur schade, dass Sie mein Buch nicht hatten, da wäre es vielleicht noch interessanter gewesen…
Allerdings sind Sie ein bisschen durcheinander gekommen mit den Elk-Wapitis, Elche-Moose, Cariboo-Maultierhirsche…?
Aber das macht nichts, denn es weiss ja keiner.
Komen Sie wieder mal nach Kanada?
Wo geht die nächste Reise hin?
Mit freundlichen Grüssen
Thomas
Hallo Thomas
vielen Dank für den Kommentar zu meinem Bericht. Ja, Kanada hat mir sehr gut gefallen, auch wenn die Reise anders verlaufen ist wie geplant. Doch niemand kann das Wetter ändern:-)
Ich hoffe sehr, dass ich mal wieder nach Kanada komme, allerdings wird das nicht im April sondern mindestens 6 Wochen später sein.
Mit der Elch-Cariboo-Tierwelt bin ich bestimmt durcheinander gekommen, aber wie Sie sagen….es weiss ja (fast)keiner und ich auch nicht :-).
Meine nächste Reise geht im Dezember nach Indien, diesmal Mumbai und Gujarat.
Mit freundlichen Grüßen
Elke Hoppe
Hallo Elke,
wir wollen Gujarat bereisen und haben Deinen Bericht gelesen, jetzt wollen wir es noch mehr. Du bietest den Kontakt zu Prakash an. Das wäre für uns sehr interessant. Wir starten am 27.10 nach Kochi und kommen am 23.11.11 in Bhuj an.
Vielen Dank, Klaus
Hallo Klaus
vielen Dank für Deine Zuschrift. Den Kontakt zu Prakash vermittle ich dir sehr gerne und werde dir die Details in einer email senden.
Da kommst du ja direkt von einem meiner zukünftigen Traumziele nach Bhuj ;-). Kochi steht auf meiner Reiseliste ganz weit oben!
Viele Grüße
Elke