Marokko Urlaubsbericht – entlang des Ziz-Tales von Erfoud bis Midelt
Sonntag
Schon wieder packen, dabei könnte ich es hier gut noch einen Tag länger aushalten. Doch inzwischen ist leider schon die Hälfte unseres Urlaubes vorbei. Ab heute führt uns unser Weg wieder nach Norden, wir haben mit Merzouga den südlichsten Punkt unserer Rundreise erreicht.
Doch zuerst frühstücken, dann kann ich gestärkt den neuen Tag beginnen.
Auf der Terrasse ist der Tisch bereits gedeckt, Hassan bringt uns frischen Tee und frischen Brot. Jetzt morgens ist die Luft noch kühl, doch wir spüren bereits die Kraft der Sonne. Gabi macht noch ein Abschiedsfoto und dann sind wir soweit und tragen unsere Taschen wieder zum Auto. Hassan beschreibt mir noch den Weg zu einer Tankstelle in Erfoud und nach einem letzten Winken und Hassans „gute Reise!“ sind wir wieder unterwegs. Es geht heute entlang des Ziz-Tales über Er Rachidia in den hohen Atlas bis nach Midelt.
Unser erster Halt ist die Tankstelle in Erfoud, der junge Mann kontrolliert noch die Luft in den Reifen und säubert die Fenster. Das ist jetzt doch ein ganz anderer Blick den ich durch die klare Scheibe habe.
Kurz hinter Erfoud ändert sich die Landschaft, er geht hinauf in den Atlas, die Gegend wird felsig und der karge Stein hat die bizarrsten Formen. Nach einigen Kilometern taucht zu unserer linken die Ziz-Oase auf und an dem besten Aussichtspunkt befindet sich eine Raststätte in Form eines großen dunkelbraunen Zeltes, wie man es bei den Nomaden findet. „Sollen wir halten ?“ frage ich meine Mitfahrer, „hier haben wir sicher einen schönen Blick auf die Oase.“
Es ist tatsächlich eine lohnende Aussicht von hier oben und wie bereits die Tage zuvor begeistert mich der Kontrast der Farben. Wir sind hier, lauf meinem Reiseführer, nicht weit entfernt von dem kleinen Ort Meski und am Rande dieses Palmenhains befindet sich eine Quelle. Diese soll ein Schwimmbecken speisen, das in den 50er Jahren von Legionären erbaut wurde. Der Ort Meski selbst ist ein guter Ausgangspunkt für Wanderungen im Ziz-Tal.
In den Oasen werden vorwiegend Datteln angebaut und der Baum bringt die erste Ernte bereits im Alter von 3 bis 6 Jahren. Das Ernteoptimum erreicht die Dattelpalme zwischen dem 40. und 80. Lebensjahr. Danach werden die meisten Bäume gefällt und als Baumaterial verwendet. Die Dattelfrüchte in Marokko sind sehr stärke- und mehlhaltig, nicht die saftigen Datteln wie wir sie in Europa kennen. Die Erntezeit ist Ende Oktober und da die Früchte sich durch den hohen Zuckergehalt so gut wie selbst konservieren sind sie monatelang haltbar.
Wir schlendern noch ein wenig durch das Nomadenzelt, in dem, neben Getränke, viel Souvenirs angeboten werden. Nein, nichts besonderes dabei. Wir gehen lieber nach draußen und genießen die sonntägliche Ruhe der Oase. Doch von einem zum anderen Moment zucken wir alle vier zusammen. Wo kommt dieser Lärm her? Nicht nur wir drehen uns erschrocken um, auch die Verkäufer kommen aus dem Verkaufszelt und die anderen Besucher schauen sich ebenfalls mit großen Augen um. Es ist eine Gruppe vier junger Leute mit einem PKW auf dem Parkplatz angekommen und das Autoradio plärrt in voller Lautstärke Technomusik über den Aussichtsplatz. Das ist sicherlich die Hintergrundmusik auf die alle gewartet haben! Wir ergreifen jedenfalls die Flucht, wir haben ja eigentlich auch schon alles gesehen.
Unsere Fahrt geht weiter, durch die Provinzhauptstadt Er Rachidia, die einst Garnisonstadt der Fremdenlegion war. Heute ist die marokkanische Armee der wichtigste Arbeitgeber in dem Ort.
Kurz hinter Er Rachidia erreichen wir einen Stausee des Ziz. Der Damm sorgt für eine kontrollierte Bewässerung der Dattelpalmenhaine des Tafilalet.
Hinter Er Rachidia durchqueren wir das Stammesgebiet von den Halbnomaden Ait Haddidou, die einst gefürchtete Karawanenräuber waren. Hin und wieder sehen wir ihre Zelte mit einigen Ziegen und Schafen davor.
Unsere Fahrt geht immer weiter hinauf in die kargen Hochebenen des östlichen Atlasgebirges. Der höchste Punkt, den wir passieren, ist der Tizi-n-Talrhemt (Kamelstutenpass) mit 1900 m.
Es ist ein wirkliches Kontrastprogramm, gestern noch haben wir in der Wüste gepicknickt und nun haben wir schneebedeckte Berge vor uns.
Und gegen Mittag ist es soweit, die ersten Häuser Midelts tauchen vor uns auf. Geschafft! Da ist ja auch schon das erste Schild: Villa Midelt! Toll- da brauchen wir nicht so lange suchen wie in anderen Ortschaften. Hier der nächste Hinweis: Villa Midelt! Nach links abbiegen! Steil geht es den Berg hinauf, ob das wirklich richtig ist? Hier sieht es nirgendwo nach einem Hotel aus, alles Privathäuser.
Und so abgelegen, merkwürdig. Doch dann stehen wir vor einem dreistöckigen Privathaus mit der Aufschrift: Villa Midelt. Ohh!!! Was habe ich da wohl gebucht? Vorsichtig drückt Gudrun auf den Klingelknopf, „bing bang“ tönt es leise. Doch die Reaktion ist umwerfend! Von drinnen klingt lautes Kindergeschrei, das Rufen von Erwachsenen vermischt sich mit Kinderstimmen und als die Tür aufgeht steht uns eine junge Frau gegenüber mit einem Baby auf dem Arm. Sie nickt uns zu und gibt uns Handzeichen ihr zu folgen. Im Hof liegt Kinderspielzeug, ein nicht abgeräumter Mittagstisch mit Essensresten steht in der Sonne und die Haustür ist einladend geöffnet. Das wirkt aber sehr privat! Sind wir hier in einer marokkanischen Großfamilie untergebracht? Eine junge schüchterne Frau zeigt uns die Zimmer und anschließend werden wir gebeten im Wohnzimmer Platz zu nehmen. Während wir zur Begrüßung einen Tee serviert bekommen, sehe ich mich diskret um. Nun, ich persönlich mag es ja lieber ein wenig schlichter. Aber es ist mit Sicherheit ein sehr schönes Wohnzimmer, an das ein Esszimmer anschließt. Die Decke ist stuckverziert, es sieht aus als seien ringsum kleine Häkelgardinen angebracht. Gebauschte Vorhänge vor den Fenstern und eine goldene Messinglampe an der Decke runden das Bild ab.
Doch, wirklich, sehr schön, sehr marokkanisch und alles bestimmt mit Liebe ausgewählt. Ein junger Mann, gekleidet in Berberblau, begrüßt uns und stellt sich als Achmed vor. „Möchtet ihr Abendessen?“ ist eine seiner ersten Fragen „es gibt Tajine!“ Ein wenig irritiert schaut er sich unser vierfaches synchrones Kopfschütteln an. „Wir sind nun neun Tage in Marokko und…. ähm……“ versuche ich ihm unsere Reaktion zu erklären. Doch Achmed lacht und meint: „Neun Tage Marokko und neun mal Tajine?“ Ja, genau!
„Kein Problem“, versichert uns Achmed „wir machen Kebab für euch, es wird euch schmecken!“ Er erklärt uns noch die nächste Umgebung und gibt uns Tipps für einen Spaziergang. Eine gute Idee, denn draußen strahlt die Sonne vom blauen Himmel und wir möchten noch den Rest des Tages nutzen.
Daher verabschieden wir uns von Achmed und machen uns auf den Weg um die nähere Umgebung zu erkunden. Es ist alles sehr ländlich, obwohl wir nur etwa eine Viertelstunde Autofahrt vom Zentrum entfernt sind. Die Wege führen vorbei an kleinen Gehöften ,vor denen Kinder spielen. „Bon jour!“ rufen uns die ersten mutigen Jugendlichen zu und verschwinden lachend hinter einem Hügel. „Bon jour!“ rufen wir höflich zurück. Und von da ab klingt es aus allen Ecken und begleitet uns den gesamten Weg: „Bon jour!!“ Die Mädchen kichern verlegen und die Frauen schauen uns interessiert entgegen. Allein die Hunde lassen sich durch unser Quartett nicht stören, sie wackeln mit einem Ohr und dösen weiter an dem erwählten sonnigen Platz.
Es ist ein erholsamer Spaziergang, die Sonne wärmt und die Landschaft ist einmalig schön.
Interessiert betrachten wir die Häuser aus Lehm. Es wirkt sehr einfach, ob die Wohnungen überhaupt Wasser und Strom haben? Doch, Strom haben sie! Denn fast auf jedem Dach steht eine Parabolantenne.
Unser Rundgang endet an einem weiteren Schild mit dem Hinweis Villa Midelt und wir überlegen, was wir nun mit dem Rest des Tages machen. In die Villa Midelt gehen? Oder noch rasch in das Zentrum von Midelt fahren und die Stadt anschauen?
Wir entscheiden uns für die Autofahrt in die Stadt und parken kurz darauf in der Durchfahrtsstraße. Von hier führt eine Fußgängerzone mit Marktständen durch den Ort. Es wird alles angeboten! Schuhe und Kleidung, Obst und Gemüse, Schmuck und was immer gebraucht oder auch nicht gebraucht wird. Der Markt ist gut besucht, viele Familien sind hier unterwegs und schlendern gemeinsam an den Ständen entlang.
Midelt ist eine ehemalige Bergwerkstadt in deren Minen silberhaltiges Bleierz abgebaut wurde. Heute sind diese Bergwerke stillgelegt, da sie nicht mehr rentabel waren. Durch diese Mineralien und den damit notwendigen Weitertransport war Midelt eine der ersten Städte in Marokko, in der alle Haushalte über Strom verfügten. Heute hat Midelt ca. 45.000 Einwohner und der Hauptwirtschaftszweig ist die Landwirtschaft. In Midelt wird vorwiegend Obst angebaut, doch auch die Zucht von Schafen und Ziegen ist ein wichtiger Faktor.
Inzwischen ist es dunkel und ich erinnere mich an den Abend in Quarzazate. Ob hier inzwischen auch ein „Parkplatzwächter“ neben meinem Auto steht? Vermutlich nicht, die Straßen sind um diese Uhrzeit noch viel zu belebt. Allerdings wird es, nachdem die Sonne untergegangen ist, recht kühl und so machen wir uns auf den Rückweg.
In der Villa Midelt hat Achmed inzwischen das Esszimmer festlich eingedeckt. Kerzenleuchter verbreiten ein warmes Licht und sorgen für ein schönes Ambiente. Da passt sogar die Stuckarbeit an der Decke!
Als wir gegen 20ººh zum Essen gehen prasselt im Kamin ein Feuer und es sind noch drei andere Tische besetzt. Achmed ist dabei das Essen aufzutragen. „Hoffentlich hat er nicht vergessen, dass wir keine Tajine möchten“ überlegt Edith laut. „TAJINE? Nicht nochmal, auf keinen Fall! Dieses zerkochte Gemüse!“ meint Gudrun voller Entsetzen. Doch Achmed hat unsere Wünsche nicht vergessen.
Es gibt Kebab mit Kartoffeln und dazu grüne Bohnen. „Endlich mal wieder biss festes Gemüse!“ strahlt Gudrun quer über den Tisch. Doch alles ist gut, nicht nur die Bohnen. Wir sind uns einig: es ist das bisher beste Essen, was wir auf unserer Rundreise hatten. Dazu gibt es ein Glas Rotwein und wir sind rundum zufrieden.
Als wir später in unser Zimmer kommen ist die Heizung an und das Zimmer angenehm gewärmt. Sehr schön, da habe ich ja doch gut gebucht 😉 und kann nun beruhigt einschlafen. Gute Nacht!
mein vorhergehender Marokkobericht ist erschienen unter: https://www.reiseberichte-blog.com/marokko-abenteuer-die-sandduenen-erg-chebbi-in-der-sahara/
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