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Spitzbergen: Im Reich der Eisbären

Sonnenbadende Eisbär

Sonnenbadende Eisbär – © Oceanwide Expeditions

Schon bei der Ankunft am Flughafen ist klar, dass wir uns im Reich von Ursus maritimus, dem Eisbären befinden. Große Warnschilder in mehreren Sprachen weisen darauf hin, dass außerhalb von Longyearbyen jederzeit die Gefahr besteht einem der mächtigen Tiere zu begegnen. Nur zu gerne würden wir das tun, aber nur aus sicherem Abstand. Der norwegischen Regierung ist heutzutage sehr daran gelegen, dass weder Eisbären noch Touristen zu Schaden kommen.

Durch den 1920 unterzeichneten Spitzbergenvertrag erhielt Norwegen die Souveränität über den Archipel von Svalbard und gleichzeitig die Pflicht ihn zu schützen. Dieses Privileg ist jedoch dadurch begrenzt, dass alle Staaten, die den Spitzbergenvertrag unterzeichnet haben, auf den Inseln Svalbards ökonomisch tätig sein dürfen. Davon machen momentan allerdings nur Norwegen und Russland Gebrauch.

Das Leben auf Spitzbergen, der größten Insel im Svalbard-Archipel, hat seine Eigenheiten und einige davon konnte man beim ersten Spaziergang durch Longyearbyen, dem Hauptort und Verwaltungszentrum, bereits entdecken. So fällt zum Beispiel die lokale Küche etwas deftiger aus. Die Jagd gehört hier immer noch zum Alltag, egal was man als Besucher darüber denkt. Um die Beute frisch zu halten benötigt man auf Spitzbergen nicht mal eine Gefriertruhe. Man hängt die Rentierhälften einfach hinters Haus.

Der Souvenirhandel bietet all das, was man eigentlich auf seiner Expedition in freier Wildbahn entdecken möchte, in konservierter Form zum Verkauf an. Ausgestopfte Eisbären sind jedoch nur noch Dekoration, bieten aber eine gute Möglichkeit die Größe der Tiere aus nächster Nähe zu bewundern.

Im Ort zeigt sich, dass der Sommer nur ein kurzes Zwischenspiel ist. Bunte Motorschlitten warten wie mit scharrenden Hufen auf den ersten Schnee. Die bunte Palette von Skiern hinterm Haus wird gar nicht erst weggepackt, denn der nächste Schnee kommt bestimmt.

Ein paar alte Bergbauanlagen zieren den Ort und erinnern an seine Geschichte. Heutzutage macht der Ort, wie alles auf Spitzbergen, einen eher schläfrigen Eindruck.

Die „Noorderlicht“

Der 2-Mast-Gaffelschoner “Noorderlicht”

Der 2-Mast-Gaffelschoner “Noorderlicht”

Unser Reisegefährt für die kommenden zwei Wochen ist der 2-Mast-Gaffelschoner „Noorderlicht“ mit seiner erfahrenen niederländischen Crew. Das gemütliche Ambiente im Schiffsinneren sorgt dafür, dass man sich sofort zu Hause fühlt. Und spätestens wenn das erste leckere Abendessen aufgetischt wird weiß man, dass für einen gelungenen Urlaub eigentlich kaum noch etwas schief gehen kann.

Christian, unserer dänischer Reiseleiter, kennt sich bestens in der Polarregion aus und entpuppt sich als Sprachtalent. Auch wenn die Fachvorträge wegen der internationalen Gäste in Englisch gehalten werden, können Unklarheiten immer noch einmal nachgefragt und auch auf Deutsch erklärt werden.

Ende August ist die beste Zeit die Reise anzutreten. Jetzt sind die Chancen am größten, dass das Eis die Inselgruppe freigegeben hat und eine Umrundung des Archipels gelingt. Bereits Ende September beginnt das Eis wieder zu wachsen und könnte eine Umrundung verhindern. Zu dieser Zeit ist es auch durchgehend hell, so dass man auch nachts die Möglichkeit hat die Küste nach Eisbären abzusuchen.

Die Rundreise

Am späten Nachmittag des ersten Tages heißt es endlich Leinen los. Wir verlassen Longyearbyen bei trübem Wetter.

Unser Guide erläutert den groben Plan der Reise und wirft dabei mit geographischen Bezeichnungen um sich, die uns erst im Laufe der Reise vertraut werden werden.

Die Reise beginnt mit der Überquerung des Isfjorden. In der Nacht, in der es nicht dunkel wird, fällt der erste Schnee. Am sogenannten nächsten Morgen scheint jedoch wieder die Sonne und die ersten Bartrobben in der Nähe des Schiffs sorgen für Aufregung. Wir liegen in Trygghamna, was „sicherer Hafen“ bedeutet, einer kleinen Bucht im Fjord. Nach dem reichhaltigen Frühstücksbuffet eilen wir in unsere Kabinen, um alle wichtigen Kleidungsstücke zusammenzukramen. Es bedarf einiger Planung um weder zu dünn, noch zu dick angezogen zu sein. Mit der obligatorischen Schwimmweste um den Hals stolpern wir erwartungsfroh über Deck.

Beim ersten Landgang wird das Umsteigen ins Schlauchboot geübt, was jetzt zu einer täglichen Routine wird. Spätestens jetzt wird jedem klar, warum Gummistiefel unbedingt zur Expeditionsausrüstung dazugehören. Das Aussteigen aus dem Schlauchboot ist oftmals trockenen Fußes nicht möglich und außerdem muss auf den Wanderungen der eine oder andere Wasserlauf durchquert werden.

Der Spaziergang führt zum Alkhornet, einem steil aufragendem Felsvorsprung, dessen Steilwand eine Kolonie Meeresvögel jedes Jahr zum Brutgeschäft nutzt. Allerdings zeugen davon momentan nur die weißen Markierungen um die Nistplätze, da zu dieser Jahreszeit alle Jungvögel bereits flügge sind.

Rentiere waren der Höhepunkt des Tages

Rentiere waren der Höhepunkt des Tages

Aber immerhin sehen wir Dreizehenmöwen, Eismöwen, Eissturmvögel und Gryllteisten und üben uns in deren Unterscheidung. Höhepunkt des ersten Tages sind dann aber unsere ersten Rentiere, die leider unsere Anwesenheit nicht schätzen und sich entfernen. Wir verstehen das Signal und nutzen die günstigen Winde um uns ebenfalls zu entfernen. Unter Segeln geht es nach Süden zum Fridtjov Fjord, wo wir die Nacht vor einem Gletscher verbringen. Im Wasser treiben ein paar kleine Eisberge und einige sehen aus wie kunstvolle Skulpturen. Die Spanier in unserer Gruppe sind begeistert vom eisigen Abbild des Osborne-Stier. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Am nächsten Morgen sitzt alles voller Vorfreude auf die nächste Wanderung pünktlich am Frühstückstisch. Kein Wunder, es lacht ja auch die Sonne aus einem stahlblauen Himmel. Diesmal geht es über die eigenartig gelegene Insel Akseløya, die 12km lang und max. einen km breit ist und wie eine Barriere die Einfahrt zum van Muydenfjord fast versperrt. Die Strömung an den Passagen an den beiden Enden der Insel ist gewaltig. Auch hier begegnen uns wieder Rentiere. Wie die wohl auf dieser kleinen Insel mit ihrem spärlichen Bewuchs zurechtkommen? Aber letztendlich sind ja alle Lebewesen auf Spitzbergen Überlebenskünstler.

So auch die Schneehühner, die wir bei einem kleinen Picknick am höchsten Punkt der Insel zufällig entdecken. Wir sind fasziniert von deren exzellenter Tarnung und finden, dass sie eher was von einer großen Wachtel haben, als von einem Huhn. Wir freuen uns, dass wir endlich ein Fotoobjekt gefunden haben, das uns bis auf zwei Meter herankommen lässt und bereitwillig Modell steht. Alle machen reichlich Fotos, denn was man hat, das hat man. Dafür müssen wir uns anschließend sputen, damit das Mittagessen an Bord nicht kalt wird.

Frisch gestärkt und ausgeruht landen wir am Nachmittag am Fleur de Lys-Beach, wo wir auf drei hölzerne Ruderboote aus den 30’er Jahren stoßen, die einstmals dem Belugawalfang im Van Keulen Fjord dienten. Wie umfangreich der Walfang einst auf Spitzbergen war, wurde uns klar, als wir neben einer alten Walfängerhütte auf ca. 600 Belugaskelette stießen. Zum Glück ist Spitzbergen heutzutage fast vollständig Nationalpark.

Christian ist diesmal etwas mehr bemüht die Gruppe zusammenzuhalten und hält besonders aufmerksam Ausschau. Angeblich sollen in der Gegend Eisbären gesichtet worden sein, die immer noch von einem vor einem Jahr gestrandeten Pottwal angelockt werden. Leider sehen wir nichts, aber solche Geschichten erhöhen die Spannung. Dann wird Christian aber doch noch aus ganz anderem Grund aufgeregt, weil wir eine Elfenbeinmöwe entdecken. Diese fast vollständig weiße Möwe ist sehr selten und soll Ornithologen in Verzücken versetzen. Im Gegensatz zum Schneehuhn mag diese allerdings gar keine Fotografen und so ist die Freude eher kurz. Ein perfekter Tag mit tollem Wetter endet mit einem spektakulären Sonnenuntergang, während wir unter Segeln bereits auf dem Weg zum Hornsund sind.

Eisbären

Der vierte Tag der Reise sollte einige Highlights für uns mit sich bringen.

Es begann damit, dass wir um 4:00 Uhr unsanft aus den Kojen getrommelt wurden. Erste Sichtung eines Eisbären direkt vor der Polnischen Forschungsstation. In Windeseile sprangen wir in unsere drei Schichten an Kleidung und eilten an Deck. Im gedämpften Licht der Polarnacht sahen wir ein ziemlich großes männliches Tier um die Forschungsstation trotten, anscheinend auf der Suche nach ein paar Leckerbissen, die man in einer menschlichen Siedlung gelegentlich finden kann. Nach wenigen Minuten war das mächtige Tier jedoch aus der Sicht verschwunden. Nach einigen weiteren Stunden Schlaf erwachten wir vor Gnålberget, einem mächtigen Vogelfelsen. Leider musste die geplante Wanderung an dieser Stelle ausfallen, da wieder ein Eisbär auftauchte und wir eine hautnahe Begegnung vermeiden wollten.

Auf Wilhelmøya haben wir dann Glück. Der Kapitän entdeckt einen Eisbären, der den Strand entlang trottet und sich schließlich niederlässt um auf das Wasser zu schauen. Die Mannschaft macht das Schlauchboot klar und wir pirschen uns vorsichtig näher heran. Zum Glück zeigt sich der Eisbär ziemlich unbeeindruckt von uns, so dass wir bis auf zehn Meter herangleiten können. Unsere Kameras klicken was das Zeug hält. Schöner hätte der Eisbär für uns auch nicht posieren können. Angesichts dessen, dass es immer möglich ist, dass man auf so einer Reise überhaupt keinen Eisbären zu Gesicht bekommt, waren wir alle begeistert.

Walrösser

Walross auf einer Eisscholle

Walross auf einer Eisscholle

Lange Zeit hielten wir vergeblich nach Walrössern Ausschau. Als wir dann endlich die erste Gruppe entdeckten, war es nicht möglich an Land zu gehen, da genau hinter ihnen ein Eisbär herumlungerte. Auch hier half die bereits vorher beim Eisbären praktizierte Methode: Vorsichtig mit dem Boot herangleiten. Die Boots-Crew bewies mal wieder viel Fingerspitzengefühl, denn das Schlauchboot kam genau mit der richtigen Distanz zum Stillstand.

Der achte Tag führte uns an den nördlichsten Punkt der Reise. Um eine Wette zu gewinnen, nahm unser Guide und einer der Gäste hier ein Bad. Für Unerschrockene ist die Mitnahme einer Badehose also durchaus eine Überlegung wert. Wie weit nördlich wir uns eigentlich befinden, zeigt ein Blick auf den Globus. Wären wir auf der Südhalbkugel, würden wir uns beim 80. Breitengrad schon weit im Inneren des antarktischen Kontinents befinden.

Während wir nach der Wanderung und dem Bad auf unser Schlauchboot warten, entdeckt einer der Gäste in der Ferne eine Gruppe Walrösser. Damit ist die Planung des Nachmittags über den Haufen geworfen. Die Entdeckung erweist sich als echter Glücksfall, denn hier hatte die Mannschaft bisher noch nie Walrösser beobachtet. Es handelt sich um mindestens 30 Tiere die auf einer Landzunge ruhen. Wir lassen uns Gruppe für Gruppe vom Schlauchboot in größerem Abstand am Strand absetzen. Der Plan ist, uns vorsichtig am Wasser entlang vorzupirschen und die Walrösser möglichst nicht zu beunruhigen. Das klappt erstaunlich gut. Die gigantischen Tiere nehmen uns zwar wahr, schenken uns aber keine weitere Beachtung. Die Gruppe ist von diesem Naturschauspiel begeistert. Wir lassen uns in 30m Entfernung nieder und genießen den Augenblick. Einige Walrösser befinden sich auch im Flachwasser und schauen interessiert herüber. Wir können unser Glück kaum fassen, als diese sich langsam in unsere Richtung bewegen und sich neugierig vor uns aufbauen. Ihre Köpfe wippen auf und ab. Der Höhepunkt ist dann, als ein Bulle aus dieser Gruppe aus dem Wasser herausrobbt und sich direkt vor uns auf den Strand legt. Sein Versuch seine Gruppe zu beschützen endet in einem Nickerchen. Er fällt auf die Seite, lässt seine mächtigen Stoßzähne in die Höhe ragen und gibt Schnarchlaute von sich. Allein dieser Nachmittag war es Wert, die weite Reise nach Spitzbergen anzutreten.

Ny Ålesund

Nach fast zwei Wochen in der Einsamkeit hat der Besuch in Ny Ålesund seinen besonderen Reiz. Dieses gottverlassene Nest ist die nördlichste permanente Siedlung der Welt und ein willkommener Außenposten der Zivilisation. Hier gibt es einen großen Laden mit Souvenir- und Reisebedarf, das nördlichste Postamt der Welt, Telefone (!), ein Hotel, ein kleines Museum und Polarforschungsstationen vieler Staaten, inklusive Deutschlands, Chinas und Indiens. Abgesehen von den gelegentlichen Kurzbesuchen der Touristen, halten sich hier hauptsächlich Wissenschaftler auf.

Nachdem alle Postkarten geschrieben und abgeschickt sind, macht sich die Noorderlicht bei herrlichem Wetter auf den Weg in den Kongsfjord zum mächtigen Kongs Gletscher. Ein besonderes Naturereignis vollzieht sich vor unseren Augen. Wir gleiten entlang der ca. 10m hohen Gletscherwand, von der nur ein Achtel aus dem Wasser ragt und warten auf Bewegung. Tatsächlich dauert es nicht lange und ein mächtiger Eisblock trennt sich vom Gletscher und fällt mit donnerndem Getöse in das eisige Wasser. Dieses Schauspiel wiederholt sich alle paar Minuten an anderer Stelle unter dem eifrigen Klicken unserer Kameras.

Die Inselgruppe von Spitzbergen hat ihren ganz besonderen Charme und bezaubert durch ihre raue Einsamkeit. Große Tierpopulationen, wie sie in der Antarktis anzutreffen sind, gibt es hier nicht. Da im Spätsommer die Nistplätze in den Vogelfelsen bereits verlassen sind, herrscht vor allem eine große Ruhe über der Wildnis. Dafür gibt es, was man im Englischen „charismatic megafauna“ nennt. Dazu gehören einige Schwergewichte, die man dafür um so genauer beobachten kann.

Papagaientaucher

Papagaientaucher

Obwohl es keine Garantie gibt, dass man überhaupt etwas zu sehen bekommt, waren wir doch sehr erfolgreich. Zu unserer Ausbeute gehörten unter anderem ein halbes Dutzend Eisbären, zwei zutrauliche Gruppen Walrösser, ein Buckelwal, ein Finnwal, eine Schule Belugas, diverse Bartrobben, Ringelrobben, Schneefüchse, Rentiere, geduldige Schneehühner, mehrere Gänse und Entenarten, viele Möwen, Papageientaucher, Eissturmvögel und weitere Wasservögel.

Zusätzlich bietet Spitzbergen hervorragende Wandermöglichkeiten durch unberührte Natur, bei der man auch seltene Pflanzen und geologische Formationen bewundern kann.

Nicht zu vergessen sind die zahlreichen historischen Überreste längst vergessener Walfangstationen, die Basislager vieler berühmter Forscher und Entdecker und die zurückgelassenen Maschinen mehr oder weniger erfolgreicher Bergbauunternehmungen.

Es empfiehlt sich unbedingt noch am Ankunftstag die Freizeit zu nutzen um das Svalbard Museum in Longyearbyen zu besuchen. Dort kann man sich vor der Rundreise einen guten Überblick über die vorhandene Flora und Fauna sowie einen politischen und historischen Hintergrund verschaffen. Auch einige Berührungspunkte mit der deutschen Geschichte sind nicht uninteressant.

Text von Holger Woyt

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Über den Autor

2 Reaktionen bis “ Spitzbergen: Im Reich der Eisbären ”

  1. Wunderschöner Bericht.
    Dem ist fast nichts hinzuzufügen. Norwegen gehört für mich, zu den schönsten Land Europas. Eine Reise sehr empfehlenswert.

  2. Diese Landschaft ist einfach traumhaft…..

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