NATURSCHAUSPIEL YELLOWSTONE NATIONALPARK
Im ältesten Nationalpark der Welt
Er liegt in den Rocky Mountains, in einer durchschnittlichen Höhe von über 2.000 Metern und ist so groß wie Korsika. Zwischen 10.000 heißen Quellen und 300 Geysiren leben Hirsche, Elche, Antilopen, Schwarzbären, Grizzlys, Wölfe, Kojoten und Bisons. Er wurde 1872 gegründet und 1978 zum Weltnaturerbe erklärt: der Yellowstone Nationalpark.„Und wann kommt der nächste Ausbruch?“, fragt Deborah, die das als Anrainerin brennend interessiert. Wir sitzen im Yellowstone Bed & Breakfast beim Frühstück in der Küche um einen großen Holztisch herum und debattieren über den Vulkan im Yellowstone-Park. Deborah, die Hausfrau, tischt ein richtig deftiges, amerikanisches Frühstück auf: mit Eiern, Schinken, Bratkartoffeln, Toasts und natürlich Kaffee, an den sich der Mitteleuropäer erst langsam gewöhnen muss. Deborah schenkt immer wieder nach und wartet die Antwort auf ihre Frage „More coffee?“ erst gar nicht ab.
„Das kann kein Mensch vorhersagen, aber auf Grund der bisherigen Zyklen wird der nächste Ausbruch in geologisch naher Zeit erwartet – innerhalb der nächsten Jahrtausende“, meint Christine. Sie sitzt, wie ich, heute morgen das erste Mal in der Frühstücksrunde. Mit ihrer dicken Hornbrille und dem streng zurückgekämmten Haar wirkt sie wie eine Lehrerin. Sie wohnt in Denver und studierte Geophysik an der „UU“, das ist die University of Utah, wie sie mir auf meinen fragenden Blick hin erklärt. Während ihres Studiums arbeitete sie im Yellowstone Park und holt nun etwas weiter aus, um uns „Laien“ ein wenig über den Park zu informieren: „Innerhalb des Parks liegt eine 40 mal 60 Kilometer große Caldera, was einem Viertel der Parkfläche entspricht. ‚Caldera’ ist spanisch und heißt soviel wie Kessel, er ist beim letzten Ausbruch vor etwa 650.000 Jahren entstanden. Erosionen haben den Kraterrrand abgetragen, und durch Ablagerungen hat sich der Riesenkessel immer mehr gefüllt, sodass er von der Erde aus nicht mehr erkennbar ist. Auf Satellitenbildern kann man ihn jedoch deutlich ausmachen. 8 bis 16 Kilometer unterhalb des heutigen Kraterbodens befindet sich eine gigantische Magmakammer, und Wissenschaftler der University of Utah haben in den letzten vier Jahren eine Aufwölbung der Caldera um 18 Zentimeter gemessen. Es hat zwar immer solche Bewegungen gegeben, der Yellowstone Vulkan bleibt jedoch in diesem tektonisch aktiven Gebiet immer ein Risikofaktor.“Es scheint, dass Christine am Schluss doch etwas ernster geworden ist. Ähnlich scheint es auch uns Zuhörern ergangen zu sein, sogar Deborah hat vergessen, Kaffee nachzuschenken. Aber Naturkatastrophen von solch unvorstellbaren Ausmaßen erzeugen bei den Menschen anscheinend eher Neugierde als Schrecken, und alle brechen zum Park auf.
Uraltes Indianerland
Der Yellowstone Park ist mit seinen fast 9.000 Quadratkilometern einer der größten der USA, so groß wie Korsika, und er war der erste Nationalpark auf unserem Planeten. Das Yellowstone Gebiet ist uraltes Siedlungs- und Jagdgebiet der Indianer. Erste Spuren von Menschen finden sich schon um 7.000 vor Christi Geburt. Mündliche Überlieferungen der Kiowa-Indianer sagen, dass ihre Vorfahren etwa von 1400 bis 1700 im Yellowstone Gebiet siedelten. Sie verließen das Land wahrscheinlich wegen des rauhen Klimas. Um 1450 trat eine Klimaverschlechterung ein, und die folgende „kleine Eiszeit“ dauerte bis etwa 1850. In dieser Zeit, im Jahre 1807, kam der Trapper John Colter, vermutlich der erste Weiße, in die Gegend. Sein Bericht über das Gesehene wurde in der Öffentlichkeit jedoch kaum wahrgenommen.
Midway Geyser Basin
Der Entdecker und Geologe
Erst 27 Jahre später kamen die Pelzjäger und Abenteurer Jim Bridger und Warren Ferries. Bridger war zu seiner Zeit einer der bekanntesten Trapper. Die Rocky Mountains waren sein Revier, die Indianer kannte er wie kein anderer – nicht zuletzt war er dreimal verheiratet, immer mit Indianerinnen. Er war ein phantasievoller Geschichtenerzähler, sodass man seinen Erzählungen über diese Wildnis nicht viel Glauben schenkte. Einzig der Geologe Ferdinand Vandiveer Hayden hörte ihm intressiert zu. Eine Expedition 1859 unter Bridger scheiterte dann allerdings wegen des sehr frühen Wintereinbruchs. Dann kam der Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten von 1861 bis 1865 dazwischen. Erst im Jahr 1869 brach Hayden dann selbst zu einer Erkundung des Yellowstone Gebietes auf, unterstützt wurde er dabei vom Generalinspektor von Montana Henry Dana Washburn. Nach ihm ist übrigens der höchste Berg des Yellowstone National Parks benannt.
Unter den Begleitern von Hayden waren der Fotograf William Henry Jackson und der Maler Thomas Moran. Wie sich später herausstellen sollte , die wichtigsten Wegbereiter des Yellowstone National Parks. Viele Motive, die der Fotograf schwarz-weiß ablichtete, malte der Maler in Farbe. Dabei entstand eine beeindruckende Bildreportage der Yellowstone Naturwunder. Jackson, der als einer der ersten Fotoreporter überhaupt gilt, fotografierte auch als erster den Old Faithful Geyser. Noch 1939 war er fotografischer Berater bei den Dreharbeiten des bis heute erfolgreichsten Films: „Vom Winde verweht“.
Der erste Nationalpark unseres Planeten
Die Fotografien von Jackson und die Bilder von Moran stießen auf große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, was den Kongress schließlich veranlasste, 1872 den „Yellowstone Protection Act“ zu beschließen. Die ersten Superintendanten des Parks konnten ihn aber nicht ausreichend gegen Wilderer und Holzfäller schützen, weshalb dann 1886 die US-Armee die Verwaltung des Parks übernahm. Seit 1918 ist der National Park Service verantwortlich, und die ersten Parkranger waren Armee-Veteranen. Die Verwaltung konnte noch einige Erweiterungen durchsetzen und startete darüberhinaus ein Modernisierungs-Projekt, es war die Umsetzung des „Amerikanischen Traums“ von der Allmacht des technischen Fortschritts. Es entstanden Besucherzentren, Hotels, Parkplätze, Straßen – bis 1966 ein radikales Umdenken einsetzte. Die Regierung verabschiedete die Umweltgesetze: im Jahre 1970 eines zur Verhinderung von Umweltbeschädigungen und 1973, das vielleicht wichtigste, das den Schutz gefärdeter Arten garantiert. Ohne dieses Gesetz gäbe es heute im Yellowstone Park möglicherweise keine Bisons, Bären und Wölfe mehr.
Im Krater des Yellowstone Vulkans
Von West Yellowstone fahre ich in den Park hinein, dessen größter Teil im Bundesstaat Wyoming liegt, kleine Teile in Montana und Idaho. Fast drei Millionen Menschen besuchen jährlich den Park. Noch bin ich fast alleine unterwegs.
Nach etwa 25 Kilometern biege ich nach Süden ab. Hier war einmal der Kraterrand. Heute ist davon nichts mehr zu sehen. Ich fahre entlang des Firehole Rivers, der innerhalb der Caldera entspringt, zum Lower Geyser Basin – meinem ersten Ziel.
Vom Parkplatz geht es zu Fuß in das dampfende Becken hinein. Zum ersten Mal sehe ich hier die Auswirkungen des Vulkans, der Boden wölbt und senkt sich, er scheint zu atmen, dadurch entstehen Risse in der äußersten Erdkruste. Durch diese Öffnungen sickert Wasser in die unterirdischen Höhlen, wird an dem heißen Gestein erhitzt, durch den herrschenden hohen Druck wird der Siedepunkt des Wassers nach oben verschoben, das Wasser wird jedoch weiter Richtung Erdoberfläche gedrängt, wo der Druck wieder abfällt, dadurch beginnt es explosionsartig zu sieden, und eine Wasserfontaine steigt auf. Die Bezeichnung Geysir stammt aus Island, abgeleitet vom isländischen „geysa“, das „strömen“ bedeuted. Um mich herum brodelt und zischt es. Bei manchen Geysiren schießt das dampfende Wasser viele Meter hoch, bei anderen fällt der Guss schon nach einem Meter wieder in sich zusammen. Überall blubbernde Schlammpots und eine unglaubliche Farbenvielfalt: graues, rotes, hellgrünes, blaues und gelbes Rhyolit-Gestein, kaskadenförmig angeordnete, weiße Kalksteinterrassen, über die dampfendes Wasser rinnt, durchsetzt mit Algen und Bakterien, die dem Wasser eine leuchtende, gelbe bis rote Farbe geben.
Old Faithful – der Alte Treue
Etwas weiter südlich erreiche ich den Old Faithful Geyser, den beliebtesten und am meisten besuchten, weil er ziemlich regelmäßig alle 60 bis 90 Minuten eine bis zu 40 Meter hohe Fontaine ausspuckt; deswegen heißt er: „Old Faithful“ – der Alte Treue.
Ich fahre weiter nach Süden und erreiche, ohne dass es mir beim Fahren auffällt, eine Höhe von 2.588 Metern, den Craig Pass. Die Straße hier herauf führt immer durch Wald, die Baumgrenze liegt in dieser Gegend sehr hoch. Auf der Passhöhe befinde ich mich an der kontinentalen Wasserscheide. Die Wasser des Yellowstone und des Madison Rivers fließen in den Atlantik, die des Snake Rivers in den Pazifik. Die weitläufige Landschaft lässt vergessen, dass man schon seit Stunden auf dem Grund eines riesigen Kraters dahinfährt. Und das vermittelt einem eine zumindest vage Vorstellung von den Dimensionen dieses Vulkans. Beim letzten Ausbruch vor 650.000 Jahren wurden etwa 1.000 Kubikkilometer Magma und Gestein aus dem Krater heraus geschleudert. Dabei flogen Asche und Staub in die Stratosphäre, bis in eine Höhe von 25 Kilometern. Das Volumen würde, aufgetürmt über der Fläche von Wien, 2.400 Meter in den Himmel ragen. Allein von der Höhe hätte der Leopoldsberg sechsmal darin Platz. Asche und Staub verdunkelten über Jahre den Himmel über dem gesamten Erdball, und ein Temperatursturz war die unausweichliche Folge.
Bisons – die „sanften“ Urtiere
Was wäre ein Besuch des Yellowstone Parks ohne Bisons? Im Hayden Valley soll man sie am ehesten finden. Der Name des Tals erinnert an einen der Gründeväter des Parks, den Geologen Hayden. Ich fahre vom Craig Pass hinunter zum Yellowstone Lake. Hinunter ist nicht der richtige Ausdruck, denn der See liegt immer noch auf einer Seehöhe von 2.357 Metern. 30 Kilometer geht es am Ufer des größten Gebirgssees Nordamerikas entlang, dann erreiche ich den Beginn des Hayden Valleys. Durch das Tal fließt der Yellowstone River, der im Süden als ein schmales Bächlein in den Yellowstone Lake mündet und hier an dessen Nordende als ein respektabler Fluss austritt. Das Hayden Valley ist ein liebliches, grünes Tal mit weiten Grasflächen, auf denen jede Menge Hirsche und Antilopen weiden – aber keine Bisons.
Etwa zehn Kilometer nördlich vom Yellowstone Lake liegt im Hayden Valley ein vulkanisch aktives Gebiet: Mud Volcano. Einige kleinere Geysire, heiße prustende Schlammtöpfe, farbenprächtiges Gestein – und eine Herde Bisons, an die 50 Stück, Kühe mit ihren Jungen und riesenhafte Bullen. Das hat sich unter den Parkbesuchern anscheinend schon herumgesprochen, die gewaltigen Tiere scheint aber die Ansammlung der Menschen nicht zu stören. Einige liegen im Gras, nahe bei den heißen, blubbernden Schlammlöchern, andere streifen gemächlich inmitten der Herde herum, ein paar überqueren die Straße und trotten zu den weiten Wiesen unten am Yellowstone River. Dort ist noch eine Herde, noch einmal etwa 50 Bisons. In ihrer Behäbigkeit wirken sie wie sanfte Haustiere. Aber Vorsicht: Sie sind es nicht. Ich kann mich an diesen „Urtieren“ nicht satt sehen, und in solchen Augenblicken müssen wir den visionären Vätern dieses Parks dankbar sein. Vor allem dem Geologen Ferdinand V. Hayden, denn er trat schon zu einer Zeit für den Schutz des Yellowstone Gebiets ein, als Wyoming noch kein Bundesstaat der USA war. Das Gebiet war zu noch nicht einmal „erobert“, und der Krieg gegen die Indianer war noch lange nicht zu Ende.
Langsam verlieren sich die Schaulustigen, die Bisonherden äsen noch immer, so als wären sie allein im Hayden Valley. Die Indianer brachten den Bisons Respekt und Wertschätzung entgegen, sie jagden immer nur soviele, wie sie zum Leben brauchten. Die Weidegründe der Bisons um den Mud Volcano herum sind für die Kiowa-Indianer heiliges Land, eine der heißen Quellen nannten sie „Dragon’s Mouth“ , und das ist die Stelle an der ihnen, nach einer mündlichen Überlieferung, ihr Schöpfer das Land ringsumher als ihre Heimat schenkte. Ist dieser Mythos der Grund, warum die Bisonherden immer wieder hierher kommen? Aus einer Sage der Kiowas sind die prophetischen Worte eines Häuptlings überliefert: „Hier sind die Büffel. Sie sollen eure Nahrung und Kleidung sein. Seht ihr aber eines Tages die Büffel vom Antlitz der Erde verschwinden, so wisset, dass auch euer Ende gekommen ist“.
Franz Haslinger
West-Yellowstone, 08/2008
copyright©franz.haslinger@yahoo.de
Guter Bericht und vor allem phantastische Aufnahmen! Vielen Dank!
Die Informationen helfen mir sehr für mein Refarat über Nationalparks in den USA. Tolle Bilder und schöne Berichte. Echt toll!