Erfahrungsbericht Simbabwe: Matopos Nationalpark, Bambata Höhle und wandern zu den Nashörnern
17. März 2009
Am frühen Morgen war es bewölkt und etwas wärmer, als am Tag zuvor, also gab es nicht einmal eine Gänsehaut, als ich mit meinem Becher Tee auf die Veranda hinausging. Ein Rotschwingenstar landete auf der hölzernen Brüstung neben mir und beäugte den Keks, den ich auf meine Untertasse gelegt hatte. Ich knabberte daran und warf dem Vogel ein paar Krümel auf den Boden, die er schnell aufpickte. Eine Bewegung, die ich aus dem Augenwinkel wahrnahm, machte mich auf einen jungen Pavian aufmerksam, der aus der Krone eines großen wilden Feigenbaums zu mir herüber schaute. Aus dem dicht bewaldeten Tal, in das ich hinabschaute, hallten die eigentümlich hellen Rufe einer kleinen Herde Zebras herauf. Ich konnte mir keinen besseren Start für den Tag ausdenken, als hier inmitten der Natur zu sein.
Für den heutigen Tag hatten wir am Vorabend noch Pläne gemacht. Mein Wirt, Boet, hatte uns am Lagerfeuer von einer Felsmalerei erzählt, die Ian noch nicht kannte. Das detailgetreue Bild eines Breitmaul-Nashorns versprach er uns zu zeigen, und zwar nicht weit vom Weg zur Bambata-Höhle. Direkt in der Nähe des Nashorn-Gemäldes wusste Boet auch von weiteren Getreidespeichern. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen und nagelten ihn sofort darauf fest, dass er uns dorthin führen würde.
Gerade war ich mit dem Frühstück fertig, da rief mich Boet nach draußen, ich sollte schnell kommen. Ich griff unterwegs mein Fernglas und rannte auf die Veranda. Das Pärchen Felsenadler kreiste nahe bei uns über den Baumwipfeln im Tal. Anscheinend hatten sie es auf eine Horde Paviane abgesehen, die dort unten um die Wette ihre Warnrufe hinaus brüllten. Von unserer Warte aus konnten wir sehen, wie die Äste wild herumwedelten, als die Paviane darauf umher sprangen und versuchten, sich einerseits vor den Greifvögeln in Sicherheit zu bringen, dabei aber andererseits, die Adler nicht aus den Augen zu lassen. Nach einer Weile schienen die beiden Adler aufzugeben und strichen weiter, in dem Moment hörten wir auch das Brummen des Landrovers.
Erwartungsvoll kletterten wir an Bord und es ging los, zunächst zur Hauptstraße, dann nach relativ kurzer Zeit auf dem glatten Teerbelag wieder auf eine sehr rumpelige Piste. Ein Nationalpark-Angestellter hielt uns an und betrachtete unsere Eintritts-Quittung, die Ian bereits mitgebracht hatte. Mit einem breiten Lächeln ließ er uns weiter fahren. Die Piste wurde immer holperiger, der Busch und das Gras rechts und links immer höher und dichter. Boet sah sich aufmerksam um und sagte nach einer Weile, dass wir halten sollten.
Wir stiegen aus und Boet schaute sich nochmals genau um, dann schob er sich durch das hohe Gras und wir folgten ihm. Ich konnte nicht über das Gras hinweg sehen, manchmal verschwand sogar Ian im dichten Grün und er war an die zwei Meter groß. Nach kurzer Zeit standen wir zwischen rund-geschliffenen Felsbrocken vor einem Inselberg, den wir halb umrundeten und dann hinaufkletterten. Mehrmals mussten wir uns zwischen Felsen und Büschen hindurch quetschen. Oft wurde dieser Weg ganz offensichtlich nicht benutzt.
Schließlich bückte sich Boet und schlüpfte durch einen Felsspalt, um sich dann wieder aufzurichten. Als ich neben ihm stand, zeigte er auf eine blasse, aber doch deutlich erkennbare Malerei an der überhängenden Felswand. Es war die Umriss-Zeichnung eines Nashorns, -vom Körperbau her eindeutig ein Breitmaulnashorn-, die mit einen schraffierten Muster ausgemalt war. Ganz einfach waren die Umrisse zum Teil nicht auszumachen, da andere Malereien das Bild zum Teil überlagerten. Da waren noch weitere Gemälde von Antilopen und von Menschen zu sehen, manche deutlich, andere sehr schwach und verblasst.
Lange blieben wir alle zusammen dort stehen und sahen uns die Bilder an. Es war ehrfurchteinflößend, wiederum vor Kunstwerken zu stehen, die vor Tausenden von Jahren vom Menschen angefertigt wurden, die hier häufig als „primitiv“ und „unzivilisiert“ bezeichnet werden. Und doch hinterließen sie wunderschöne Malereien, präzise und offensichtlich mit Liebe angefertigt, manchmal stilisiert, manchmal fotografisch genau, manchmal ganz und gar unerklärlich. Für mich war es immer wieder faszinierend und spannend davor zu stehen und zu entdecken.
Nach einer Weile schlug Boet vor, wir sollten weiter gehen zu dem Kornspeicher, denn es wurde schon spät und wir wollten noch weiter zur Bambata-Höhle. Wieder krochen wir eine Weile zwischen Felsen hindurch, bis wir in eine dunkle, niedrige Höhle hinein sahen. Ich war mit meinen 1,74 Metern die Kleinste von allen aber auch ich musste mich tief bücken, um in den Hohlraum zu kriechen. Nachdem wir durch den Eingang geschlüpft waren, war die Höhlendecke auch wieder höher und ich konnte mir bequem die beiden sehr gut erhaltenen Getreidespeicher ansehen. Zeitweise war Matopos eine heiß umkämpfte Gegend und verschiedene Völker brachten sich in dieser unwegsamen Gegend vor ihren Feinden in Sicherheit. Daher die vielen versteckten Getreidelager, aus denen sich die Flüchtlinge versorgen konnten.
Wir krochen wieder ans Tageslicht und machten uns auf den Weg zum Auto zurück. Wieder dort angelangt fuhren wir noch ein ganzes Stück weiter, um den Wagen nochmals abzustellen. Boet sagte, seine alten Knochen hätten genug vom Herumwandern, wir sollten mal alleine gehen. Also machten Ian und ich uns auf den Weg zur Bamabata Höhle. Diesmal war der Weg nicht ganz so stark überwuchert, aber auch hier mussten wir uns durch hohes Gras bewegen und als wir am Fuß eines großen „Dwala“ (Granitfelsen, der aus einem Guss aus der Erde ragt) auf blankem Fels standen, lasen wir uns erst einmal die Zecken von der Kleidung.
Als wir zufrieden waren, dass wir die fiesen kleinen Blutsauger alle entfernt hatten, stiegen wir den blanken Granitfelsen hinauf. Ich sah schon die Höhle und wollte darauf zusteuern, da schlug Ian vor, erst einmal auf die Kuppe zu klettern, um das herrliche Panorama zu genießen. Ganz oben auf der Kuppe stand ein Steinhaufen, zu dem wir jeder einen Stein hinzufügten. Dann sahen wir uns um. In welche Richtung ich auch sah, der Blick war herrlich!
Felsen, von der Natur und der Erosion seltsam aufgetürmt, Inselberge, grüne Wälder, Buschwerk, freie Grasflächen zur Zeit saftig grün. Es war teils bewölkt und die Schatten der Wolken, die langsam über die Landschaft hinweg zogen, machten den Anblick noch abwechslungsreicher. Ich hätte den ganzen tag dort verbringen mögen, doch wir hatten ja noch vor, uns die Höhle anzusehen, Boet wieder zur Lodge zu fahren und dann im Game Park auf die Suche nach Nashörnern zu gehen.
Wiederum fand ich die Höhlenmalereien äußerst eindrucksvoll und wiederum hätte man Stunden damit verbringen können, sie genau anzusehen. Es gab Antilopen, Menschen, Elefanten, und auch einen gefleckten Leoparden, der über die Felswand pirschte. Auch hier hatten wir viel zu wenig Zeit und mussten uns losreißen.
Am Auto angelangt, entledigten wir uns wieder der angesammelten Zecken und fuhren den kurzen Weg zur Lodge zurück. Wir setzten Boet ab und fuhren gleich wieder los zum Game Park. Wir waren kaum dort angekommen und durch das Tor gefahren, da fing es schon an wie aus Kübeln zu gießen. Wir suchten uns ein gemütliches Plätzchen mit Blick auf den Chintampa Dam und aßen erst einmal in Ruhe zu Mittag. Bis wir fertig waren tröpfelte es nur noch und wir machten uns auf die Suche nach den Nashörnern. So einfach, wie das letzte Mal, als ich in der Trockenzeit hier gewesen war, gestaltete es sich aber nicht. Das Gras war wiederum so hoch, dass wir aus den Fenstern des Landrover nicht darüber schauen konnten. Es waren jede Menge Spuren auf der nassen Sandpiste zu sehen und immer wieder stiegen wir aus, um sie genau anzusehen. Es widerstrebte Ian, in dem dichten und hohen Gras zu Fuß auf die Suche zu gehen, er meinte ganz zu Recht, man sei da nie vor Überraschungen gefeit. Aber nach ein paar Stunden erfolgloser Fahrerei blieb uns dann am Ende nichts anderes übrig.
Ian kannte die Nashörner so gut, dass er das Revier jedes Bullen kannte und an Hand der Spuren sagen konnte, welches Tier gerade auf der Sandstraße herumgelaufen war. Einer der Nashornbullen, „Gumboots“, hielt uns bereits den ganzen Nachmittag zum Narren, mehrmals hatten wir seine Spur so frisch gesehen, dass er gerade erst vor Minuten vorbeigekommen sein konnte. Als wir dann bei einer Gelegenheit seine Spur fanden, die unsere Reifenspur von vor wenigen Minuten kreuzte und überlagerte, reichte es Ian. Wir nahmen unsere Rucksäcke und Regenjacken und folgten Gumboots’s Spur in das hohe Gras hinein.
Noch eine ganze Weile spazierte der Bulle durch den Busch, hatte offenbar hier und dort ein Maulvoll Gras genommen und war dann weiter gewandert. Wir waren klatschnass, weil es immer noch leicht regnete und das Wasser, das wir vom hohen Gras streiften tat ein Übriges. Meine Stiefel, gerade von Hwange ganz und gar trocken geworden, quatschten wieder. Aber es lohnte sich. Vor mir blieb Ian stehen und winkte mich zu sich heran. Gumboots stand unter einem mickrigen Bäumchen in einer Lichtung deren Gras er offenbar bereits niedergetrampelt hatte, und seine Ohren bewegten sich, er suchte offensichtlich nach der Ursache der Geräusche, die er hörte. Ganz so leise wie wir dachten waren wir nun wohl doch nicht gewesen. Ian ging in die Hocke und flüsterte, ich sollte es ihm nachmachen.
Nun saßen wir dort, ca. 10 Meter von einem riesigen Nashornbullen entfernt, der eher neugierig als besorgt nach uns lauschte und ab und zu den Kopf hob um geräuschvoll die Luft einzusaugen. Aber wir hatten den leichten Wind im Gesicht. Ian gab zu meiner Überraschung ein ähnliches Schnaufgeräusch von sich und der Bulle horchte aufmerksam. Ich zeigte auf meine Kamera und dann auf Gumboots, fragte wortlos ob es in Ordnung sei, Fotos zu machen. Ian nickte sehr entschieden und daher traute ich mich. Gumboots bewegte lediglich die Ohren, als er meine Kamera hörte. Ian machte noch einmal die Nashorn-Geräusche und zu meinem Erstaunen kam Gumboots einen Schritt näher. Ein Wenig mulmig war mir schon, aber bei meinem letzten Besuch waren wir noch näher an einem Nashornbullen dran gewesen, daher blieb ich einfach sitzen und genoss den Anblick. Gumboots tat einen weiteren Schritt und legte sich unter lautem Seufzen in eine kühle, feuchte Sandkuhle. Noch einmal seufzte er laut und senkte auch den Kopf auf den Boden, schloss die Augen und schien sanft einzuschlafen.
Wir blieben noch eine Weile und genossen das unglaubliche Vertrauen, dass wir uns hier gegenseitig bewiesen. Wir waren Menschen, des Nashorns ärgste Feinde und dieser Bulle schlief während wir ihn beobachteten. Wir hatten kein Gewehr dabei, also hatte Gumboots eindeutig die Oberhand. Mit seinen zwei Tonnen Gewicht und seinem riesigen Horn hätte er uns leicht den Garaus machen können, aber ihm war sein Nickerchen jetzt wichtiger. Als wir ihn verließen, bewegten sich nur seine Ohren ganz kurz, er öffnete nicht einmal die Augen.
Wieder ging ein wundervoller Tag in Matopos zur Neige. Mein letzter Tag in dieser Gegend für diese Reise und das stimmte mich sehr traurig. Je mehr ich von Matopos sah und je mehr ich darüber lernte, desto besser gefiel es mir hier.
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