Reiseberatung für individuelle Reisen

Frankreich im Herbst

Die Planung

Die Loire-Rundreise mit dem kleinen Reiseveranstalter France-Naturelle schloss sich anfänglich eher zufällig an unsere Bretagne-Reise an. Die Westküste Frankreichs wollte ich nach einem Reisebericht gerne besuchen. Ach, das habe man aber in ein paar Tagen erledigt, sagte Therese – sie habe aber noch nie die Loire-Schlösser gesehen… Ich auch nicht. Also fing ich an, einen Reiseführer zu suchen, da wo man heutzutage alles sucht: im Internet. Die gängigen gefielen mir nicht. Dann fand ich aber etwas, was mich interessiert hat – aber wie kann ich es bestellen, was kostet es überhaupt? Kann man nicht und kostet nichts, man bekomme es als Gratiszugabe, wenn man da eine entsprechende Reise bucht. Hm…

Es sei eine betreute Individualreise. Man reise mit dem eigenen Auto, werde bei einheimischen Familien in schönen, alten Landhäusern untergebracht, fernab vom Massentourismus und doch in der Nähe der schönsten Sehenswürdigkeiten. Juli, August kommen natürlich nicht in Frage – Mitte September? Ausge­bucht. Jetzt schon, neun Monate vorher? Dann halt Anfang September – du glaubst es nicht… Sie schlagen Ende September vor. Inzwischen bin ich richtig scharf drauf – also buchen. Statt nachher, wie ich zuerst dachte, können wir ja vorher die Bretagne anschauen. Flüge, Mietwagen – das hat noch wirklich Zeit.

Bretagne

Dienstag, 17. September

Bretagne Küste

Auf unserem Weg in die Bretagne werden wir in einem ehemaligen kleinen Landschloss nächtigen.
Es sieht zwar nicht nach Schloss aus und der Hotelier auch eher nach einem alternden 68-er als einem Schlossherr, es ist aber alles irgendwie sympathisch, gemüt­lich.

Von unserem Hotelfenster aus sehen wir direkt auf das Flüsslein Couesnon. Am späteren Nachmittag machen wir da entlang einen schönen Spaziergang Richtung Mont. Kurz nach dem Spaziergang kommt starker, eisiger Wind auf. Therese deckt sich mit einer Wolldecke zu. Ich lese ihr die alte Geschichte von den Lappen vor. Der Fluss fliesst verkehrt. Draussen heult der Wind etwas müder; wie ein alter, verwundeter Bär, sagt mein Täubchen.

Wirklich beeindruckend ist die umge­bende schier unendliche grau-beige Sandfläche und die schier unendlichen Touristenmassen – Mitte Sep­tember! Weiter geht es, wir finden das Hotel Du Port in Perros-Guirec fast problemlos. Wir richten uns ein und ruhen uns aus.

Das Nachtessen direkt nebenan im ebenfalls vom Reiseführer empfohlenen Restaurant Le Suroit ist hervorragend. Als Vorspeise nehme ich – ich bin ja nicht zuletzt deswegen hier – ein assiette de fruit de mer, Meerfrüchteplatte. Allein das Werkzeugsortiment, was man da bekommt, ist eindrücklich, es schmeckt aber auch alles sehr gut, wenn auch die Austern und diverse Schnecken nicht jedermanns Sache sein dürften.

Am nächsten Tag nach dem Frühstück fahren wir zu der Anlegestelle des Ausflugsbootes. Auf dem Steilhang der ersten Insel nisten Hunderte von Möwen, die meisten sitzen am Hang, viele fliegen stän­dig, das ganze erinnert an einen überdimensionalen Bienenstock; faszinierend. Es sei jetzt Paarungszeit, erklärt ein junger Mann.Auf der nächsten Insel, an die wir gefährlich nahe heranfahren, gibt es ein paar blonde Seehunde. Wir sehen auch viele Kormorane. Das ganze ist seit 1912 Naturschutzgebiet, eine einzige Insel darf betreten werden, was aber auf dieser Tour nicht vorgesehen ist.

Tags drauf fahren wir wieder nach Trégastel. wir widmen uns unserer aktuellen Lebensform des Touristen und besteigen König Gradlons Krone, einen knapp zehn Meter hohen Granit­block, um den Blick über die rosa Felsen und dem blaugrünen Meer schweifen zu lassen, wie es der Reiseführer empfiehlt

Am Sonntag nach dem Frühstück, kurz nach neun Uhr, fahren wir also los.. Zuerst fährt Therese und ich navigiere. Gelegentlich wechseln wir die Rollen. Unterwegs gibt es irgendwo ein Schloss – Château  de Comper – zu besichtigen. Die Lage ist schön, der Ein­trittspreis für das Gebotene – sechs Euro pro Nase – aber eigentlich unverschämt. In der idyllischen Ortschaft Paimpont essen wir eine Kleinigkeit. Bald finden wir auch unser Hotel am Rande der kleinen Ortschaft St. Lyphard.

Die Ile de Fedrun ist eine Insel mitten im Marais de Grand Brière: Schilf, Torf, Kanäle und auch grössere Wasserflächen. Schönes, ursprüngliches Dorf, wo die Zeit fast stehenblieb – na ja, fast. Es gibt aber viele Häuser mit Reetdächern, eines wird gerade renoviert, es gibt also zumindest einen, der dieses Handwerk noch beherrscht. Wir wollen uns da mit einem kleinen Boot herumfahren lassen und finden zwei Mög­lichkeiten: nur für uns zwei würde es 65 Euro kosten; wenn wir uns einer Gruppe anschliessen, 17. Wir entschliessen uns fürs Anschliessen, müssen aber dafür einige Stunden warten. Wir spazieren also im Dorf herum, bewundern die schönen, traditionellen Häuser und versuchen, die weniger schönen zu übersehen.

Die Bootsfahrt hingegen ist die lange Wartezeit wert. Die „Gruppe“ besteht aus einem anderen Paar und uns, fortbewegt wird das kleine Boot mit Muskelkraft mittels einer langen Stange, Staken heisst diese Antriebsart, soweit ich weiss. Wie überall haben hier auch blöde Menschen sehr viel Schaden angerichtet, indem sie zum Beispiel hier nicht hingehörende Arten eingeschleppt haben.

Eindrücklich aber die riesigen Schilfflächen. Wasser, Schilf, Himmel, ein paar Vögel… nach heutigen Massstäben „nichts“. Unersetzliche, ursprüngliche Natur – einmal mehr sind wir sehr beeindruckt.

Morgen müssen wir etwa 360 km fahren. Anna und Thomas von France Naturelle, die unsere Loirereise organisiert haben, behaupten in dem eigens für uns hergestellten und in edlem Leinen gebundenen Reiseführer, dass dies in 3,5 Stunden zu bewältigen sei. Wir rechnen eher mit fünf – bin gespannt, wer recht behält.

 

Loire-Tal
Dienstag, 24. September

an der Loire 1Heute also Reisetag, versüsst durch die liebliche französische Landschaft und dem Yaris Hybrid – wir lieben beide.
Letztere ist übrigens auch Made in France.

Navigation ist, wenn man trotzdem ankommt – diese alte Seemannsweisheit gilt aber viel mehr an Land. Wir haben allerdings gutes Kartenmaterial, eine Wegbeschreibung und Thereses Französischkenntnisse – was braucht man mehr? Nun, ich weiss es jetzt: Zeit, Geduld, Toleranz, Humor…

Hier gefällt es uns aber.

Obwohl ich fürchte, dass wir morgen Velo fahren müssen. Steht auf dem Plan und ist im Preis der France-Naturelle-Reise inbegriffen. Na dann, gut Holz oder Petri heil!Hervorragendes Nachtessen im in einem im Reiseführer empfohlenen Restaurant– wir reservieren wieder für übermorgen.

 

Mittwoch, 25. September

Kutscherin Schloss Chambord: Wir logieren ganz in der Nähe, also am ersten Morgen nichts wie hin.
Seine Geschichte, Beschreibung, Fotos findet man in zahlreichen Büchern und im Internet, mit zum Teil abweichenden Zahlenangaben, sein erster Bauherr, König Franz I. verbrachte darin zum Beispiel, je nach Quelle, ganze 19 oder aber doch 72 Tage, ein späterer Hausherr, der Sonnenkönig Ludwig XIV. hat neunmal darin übernachtet. Noch teurer dürften in der ganzen Welt­geschichte nur noch ein paar Astronauten auf dem Mond geschlafen haben. Wir übernachten nicht, zwei Stunden Besichtigung reichen. Der Andrang bleibt zu dieser Jahreszeit im erträglichen Rahmen, auf der nachfolgenden Kutschenfahrt sind wir sogar die einzigen Gäste.

Den grössten Teil des knapp einstündigen Weges machen wir in einem sonst nicht zugänglichem Bereich des Waldes, was sich lohnt: wir sehen mehrere Wildschweine und vielleicht sogar einen Hirsch – ich bin nicht sicher, dass ich den richtigen braunen Fleck als Hirsch betrachtet habe. Es ist hier übrigens das grösste zusammenhängende Waldgebiet Europas, mangels König darf nun der Staatspräsident darin jagen. Ob er das auch tut, weiss ich nicht, sonst sorgen Berufsjäger dafür, dass der Wildbestand im ver­nünftigen Rahmen bleibt – und haben wohl auch das Rohmaterial für mein gestriges Wildschweinragout, das beste Wildgericht, was ich je hatte, geliefert: das Fleisch war butterzart und überhaupt nicht faserig, sein Geschmack aromatisch aber weder wild noch schweinisch, die dunkle Sauce ein Traum.

Als wir uns wieder dem Schloss nähern, werden wir von Dutzenden von Fotografen – genauer: fotografierenden Touristen vorwiegend asiatischer Herkunft – empfangen; ich versuche königlich zu winken. Auf dem Rückweg Zwischenhalt im Supermarkt mit Tankstelle. Diesmal gelingt es mir sogar, mittels Kre­ditkarte Benzin zu zapfen, wenn auch erst der zweite Versuch. Schön, wenn man immer noch lernfähig ist.

Ganz in der Nähe unserer Unterkunft ist eines der zahlreichen kaum bekannten Schlösser in Privatbesitz. Nach einer späten Mittagspause wollen wir es besichtigen. Der Weg dorthin, durch einen schönen Wald, ist gut und genau beschrieben in unserem Reiseführer, nur die Zeitangabe ist eher auf junge Jogger denn auf reifere Spaziergänger berechnet: statt der angegebenen 20 Minuten brauchen wir 35. Es wäre zwar kein Problem, ich bin aber nun ziemlich müde und die Aussicht auf einen gleich langen Heimweg vermag mich ganz und gar nicht zu begeistern. Kurz vor dem Eingang kommt uns ein Auto entgegen, auf dem Beifahrersitz eine alte Frau. „Siehst du“, sage ich Therese, „über Siebzigjährige werden hier mit dem Auto abgeholt.“ Sie erklärt sich bereit für den gleichen Liebesdienst.

Wir besichtigen das Schloss von aussen, eine kleine Kapelle mit alten Fresken auch innen, und dann auch noch ein Hochzeitsmuseum mit Heirats­szenen in Wachsfigurenart, schönem Porzellan und die für die Gegend hier früher typischen Brautsträus­sen, ebenfalls mit sehr viel Handarbeit hergestellten Orangenblüten. Danach setze ich mich hin und warte, bis mein „Taxi“ kommt.

 

Donnerstag, 26. September

Schlossthron Das Schloss in Blois ist mitten in der Stadt auf einer Anhöhe. Von Aussen zwar nicht so imposant wie Chambord,
die Innenräume gefallen uns aber viel mehr; irgendwie kann man sich da eher vorstellen,
dass da einst Menschen aus Fleisch und Blut geschlafen, sich mit diesem und jenem beschäftigt, gelebt haben.

Von da wollten wir eigentlich zum Haus, wo Leonardo da Vinci seine letzten Lebensjahre verbracht hat und auch gestorben ist. Auf halbem Weg dorthin liegt aber noch ein anderes Schloss, das uns nun zwar nicht interessiert – ein Schloss pro Tag reicht uns dicke – aber seine Gärten sehr. Wir beschliessen, erst mal da halt zu ma­chen. Am Eingang spricht uns ein junges Paar auf Schwyzerdütsch an, ob wir ihre Eintrittskarten haben wollen, man habe ihnen die Kontrollabschnitte nicht abgerissen. Wir nehmen dankend an, es sind die teuersten, die wir bis dahin gesehen haben, Schloss und Gärten zusammen 16 Euro pro Nase.

Frankreich ist riesig. Seine Schlösser sind auch riesig und sie stehen in riesigen Parks und Gärten. Allein der Teil dieses Gartens, der jährlich von verschiedenen Künstlern neu gestaltet wird, braucht ein, zwei Stunden – oder, wenn man wirklich alles sehen wollte, einen halben Tag. Wir schauen, staunen, geniessen, fotografieren, werden müde, beschliessen, Leonardo auf morgen zu verschieben.

Freitag, 27. September

Bootsfahrt Herzlicher Abschied von unserer Gastgeberin und ihrer Mutter, wir haben uns sehr wohl gefühlt bei ihnen.
Statt der in unserem Reiseführer vorgeschlagenen Route suchen wir eine andere, die uns direkt über Amboise führt, wo das Haus von Leonardo da Vinci liegt.

Schönes Haus, alte Möbel, Kunstgegenstände – solches sieht man aber auch anderswo, das besondere ist im Untergeschoss: viele Modelle seiner zahlreichen Erfindungen. Er war nahe daran, ein Fluggerät zu bauen, es fehlte aber eine Antriebsmaschine, die menschliche Muskel­kraft hat nicht gereicht. Es gehört auch ein schöner Garten dazu, mit versteckten Lautsprechern und weiteren Modellen.

Nach etwas mehr als zwei Stunden fahren wir weiter. Unterkunft Nummer zwei (von drei) finden wir diesmal problemlos, da ist die Wegbeschreibung besser und es ist auch besser ausgeschildert. Unsere neuen Gastgeber empfangen uns herzlich. Wir bekommen ein angenehmes Zimmer mit schöner Aussicht. Ich habe gerade Zeit zum Duschen, dann müssen wir schon zu der Boots­tour auf der Loire und seinem Nebenfluss Vienne fahren.

Es ist eine völlig naturbelassene Flusslandschaft, etwa die letzte Europas, wir sehen auch einige seltene Vogelarten, aber keine Biber, obwohl sie sich hier vor dreissig Jahren auch

wieder angesiedelt haben, nachdem sie schon ausgestorben waren. Es gibt auch ein Ratespiel: wir sollten durch tasten und riechen einige Waren erkennen, die bis zum Ende des 19. Jahrhun­derts auf der Loire transportiert wurden. Es sind Schiefer, Tuffstein, Weizen, Salz, Kakao, Kaffee und Ge­würze – sieben von insgesamt über zweihundert, die vor dem Bau von Eisenbahnen auf ähnlichen, wenn auch sehr viel grösseren Kähnen als unserer, bis nach Paris transportiert wurden.

Es sind noch zwei weitere, deutsche Paare mit auf dem Boot. Wir treffen sie nach dem Nachtessen wieder im Salon unseres Anwesens, eines alten, ehemaligen Bauernhofes. Wir unterhalten uns bis wir bettreif sind – was nicht all zu lange dauert nach dem langen Tag. Vorher bewundere ich noch ein lang vermisstes, all zu selten gewordenes Phänomen: Himmel bedeckt, weit und breit kein künstliches Licht, absolute Dunkelheit. Herrlich!

Samstag, 28. September

Da das aktuelle Wetter besser ist als die Prognose, fahren wir zu einem in der Nähe gelegenen Schloss. Was uns da vor allem reizt, ist nämlich nicht das Schloss, sondern seine Gärten. Direkt hinter dem Eingang ist ein grosser Gemü­segarten, normalerweise keine grosse Attraktion, hier aber ja. Jetzt ist Kürbissaison, überall sind also die verschiedenen Sorten zu sehen. Einige Pfaue laufen frei he­rum, drei bunte, exotische Vögel – könnten irgendwelche Arten von Fasanen sein – sind in einem riesigen Käfig. Wirklich sehr schön. Einige Räume des Schlosses können aber auch besichtigt werden, dort gibt es vor allem wechselnde Ausstellungen, ebenfalls schön, originell.

Zum Nachtessen lädt unser aktueller Gastgeber ein, zusammen mit den zwei auch nicht mehr ganz jungen deutschen Paaren. Wir essen gut, unterhalten uns gut, es ist ein weiterer schöner Abend.

Sonntag, 29. September

Fischmarkt Chinon Heute steht Chinon auf dem Programm, ein Städtchen, dessen Kern sich seit dem Mittelalter wenig geän­dert haben soll.
Es ist wirklich sehr schön, ruhig, angenehm.

Ich versuche erst mal mein Glück mit einem Geldautomaten und werde angenehm überrascht: es klappt nicht nur problemlos, sondern kommuniziert sogar mit mir spanisch. Was er allerdings in allen Sprachen diskret verschweigt, ist die happige Gebühr von 20 Euro.

Mit einem Aufzug fahren wir danach – dies sogar gratis – auf die Ebene der Burg hoch und be­sichtigen sie. Das schönste ist die Aussicht auf die Stadt mit den einheitlichen Schieferdächern, dahinter das spiegel­glatte Wasser des Flusses Vienne, worin sich der Wald am anderen Ufer spiegelt. In der Burg schauen wir die königlichen Gemächer an, wo es ausser diversen Video- oder Multimediavorführungen nicht viel zu sehen gibt. Chinon ist stark eingebunden in die französische Ge­schichte, hier soll Jeanne d’Arc den spä­teren König Carl den soundsovielten überredet haben, sich krönen zu lassen, das ist alles sehr in­teressant, würde aber den Rahmen dieses Berichtes genau so sprengen wie die Geologie der rosa Granit­küste, Flora und Fauna, Leonardo da Vinci, all die französischen Dichter, Den­ker, Könige, Winzer, Käser, Köche…

Statt Francologiestudium wollen wir nur ein kleines, banales Hüngerchen stillen – was aber mit etwas Glück auch zum Erlebnis werden kann in diesem gesegneten Land. Und das Glück haben wir: Therese entdeckt La Cave Voltaire, wir setzen uns an einen kleinen Tisch, sie bestellt eine Quiche und frischen Traubensaft, ich einenAufschnittteller und ein Glas Weisswein – und was wir bekommen, ist ein echtes kulinarisches Erlebnis! Wir sitzen draussen in der schmalen Fussgänger­strasserue Voltaire, gegenüber der Impasse des Caves Paintes. Unser Wirt und Weinhändler schmeisst den Laden ganz allein, er ist genau so sympathisch wie sein Laden, versucht sich sogar in Englisch und Deutsch, gar nicht schlecht. Im Laden bietet er nebst Wein viele Spezialitäten in Gläsern an.­

Gutes Nachtessen zu sechst in Montsoreau, im Restaurant knapp nach dem kleinen Schloss, „dessen Füsse früher“, gemäss Reiseführer, „im Wasser gestanden haben.“

Montag, 30. September

tropfsteinhöhle Heute steht wieder ein ganz andersartiges Schloss auf dem Programm.
Hier ist das Wesentliche tief unter der Erde; soll für Menschen mit Bewegungsproblemen oder Klaustrophobie weniger empfehlens­wert sein. Da unsere diesbezüglichen Probleme nicht sehr ausgeprägt sind, riskieren wir es und bereuen den Mut nicht. Es sind Gänge und ganze Säle in zehn und mehr Meter Tiefe, spärlich beleuchtet, die Gänge zum Teil ziemlich steil. Es waren Verteidigungsanlagen, Vorratsräume, aber auch Wohnstätten. Interes­sant! Irgendwann gelangt man wieder ins Freie, aber im Burggraben und der ist 18 Meter tief. Man kann darin um das ganze Schloss spazieren, aber wieder raus kommt man nur durch die unterirdischen Gänge.

Die wenigen zugänglichen Räume im „normalen“, also überirdischen Teil des Schlosses sind nichts Beson­deres. Besonderes hingegen ist die nahegelegene Abtei, durch die schiere Grösse. Sie hat eine wechselvolle Geschichte, diente zum Beispiel nach der Französischen Revolution als Gefängnis. Vorher, als Abtei, lebten darin viele Jahrhunderte lang sowohl Mönche als auch Nonnen, mal streng asketisch, mal ziemlich aus­schweifend. Ungewöhnlich war, dass die weltliche Macht immer einer Äbtissin vorbehalten war. Die Da­men entwickelten auch ein entsprechen­des Selbstwertgefühl, liessen sich im Kapitelsaal jeweils auf Fres­ken inmitten diverser biblischen Szenen verewigen.

Danach bin ich durch die vielen Eindrücke und auch vielem Herumlaufen ziemlich müde. Hier aber  noch ein Tipp für jene, die auch mal diesen faszinierenden Teil der Welt bereisen wollen: man bewahre die Eintrittskarten auf, am nächsten Ort bekommt man dann Ermässigung (gilt natürlich nicht im ganzen Loire-Tal).

Dienstag, 1. Oktober

Nun wechseln wir bereits zur dritten und letzten Station der France-Naturelle-Reise. Diesmal sind es nur hundert, hundertfünfzig Kilometer, so haben wir genug Zeit, ein weiteres „muss“ zu absolvieren: die Gärten vom Châ­teau Villandry. Das Schloss selber soll zwar weniger sehenswert sein, wir entschliessen uns trotzdem, es auch zu besuchen, in der Hoffnung, dass sich der leichte Nebel später auflöst. Die Rechnung geht auf – und all die Beschreibungen mit Attributen wie phantastisch, einmalig, werden von der Wirklichkeit noch über­troffen, obwohl es eigentlich vor allem „nur“ Gemüsegärten sind – aber was für welche! Auch wenn wir den Eindruck haben, dass die verschiedensten Gemüsearten hier vor allem auf Schönheit und nicht auf guten Geschmack und gesunde Ernährung gezüchtet sind. Wir sind aber wirklich sehr beeindruckt.

Die zwei deutsche Paare, die wir bei unseren zweiten Gastgebern kennengelernt haben, warnten uns: um die dritte Unterkunft zu finden, muss man sich sehr genau an die Anweisungen im braunen Buch halten, zu­dem der grüne Fleck, welche sie auf der Strassenkarte markieren soll, leicht daneben liegt.
Dank ihrer zusätzlichen Informationen gelingt uns diesmal diese navigatorische Meisterleistung fast auf Anhieb. Wir kommen sogar etwas zu früh an, werden aber vom Hund des Hauses sehr freundlich empfangen. Dass wir am richtigen Ort sind, wird von ihm auch bestätigt: sein Name steht nämlich auch im braunen Buch und er reagiert darauf mit gespitzten Ohren und freudigem Schwanzwedeln.

Bald tauchen aber auch Menschen auf. Zuerst unsere neuen Gastgeber, dann weitere Gäste: ein deutsches Paar. Wir bekommen auf der Terrasse ein Begrüssungsapéro. Danach bitten wir unsere Gastgeberin, in einem vom brau­nen Buch empfohlenen Restaurant zu reservieren. Dabei stellt sich heraus, dass die anderen schon von zu Hause aus da reserviert haben und sie bieten an, uns in ihrem Auto mitzunehmen. So kann auch Therese zum guten Essen auch einen guten Wein trinken. Die Flasche Rosé, die wir in unserem Zimmer, nebst einer weiteren, netten Begrüssungskarte von France Naturelle– merci beaucoup! – gefunden haben, wollen wir lieber morgen berücksichtigen.

Nachts herrscht auch hier totale Ruhe und Dunkelheit. Die drei Standorte sind wirklich gut ausgesucht, es dürfte ziemlich viel Arbeit dahinter stecken, man sieht unzählige Hinweisschilder zu Chambres d’hôtes, die französische Variante von Bed and Breakfast.

Obwohl das Land relativ dünn besie­delt ist, verfügt es über ein sehr dichtes Strassennetz, von Autobahnen bis zu extrem schmalen Land­stras­sen, fast alle in gutem bis sehr gutem Zustand. Seit den 1970-er Jahren, wo ich öfter in Frankreich gereist bin, hat auf diesem Gebiet ein enormer Fortschritt stattgefunden. Unse­re deutschen Urlaubsbekannten sind von Neid erfüllt – der Zustand von grossen Teilen des deutschen Strassennetzes sei vergleichsweise Drittweltniveau, sagen sie.

Auf weiteren zwei Gebieten stelle ich grosse Fortschritte fest: Damals gab es an der Mittelmeerküste meist guten Kaffee, aber die bräunliche Brühe, die einem unter diesem Titel im Landesinneren vorgesetzt wur­de, war absolut ungeniessbar. Heute ist guter Kaffee überall Standard. Und wir haben in allen Unterkünf­ten richtig gute Betten – im Gegensatz zu den damaligen durchgelegenen Hängematten.

Therese schwärmt, zu recht, über weitere zwei Sachen, speziell im Loire-Tal: die riesigen, schönen Wald­gebieten, immer wieder mit kleinen Seen – zum Teil künstlichen, zur Entwässerung – und Flüsslein ge­schmückt. Die drei grösseren Flüsse, Loire, Vienne und Cher, sind fast überall völlig naturbelassen – wirk­lich einmalig schön. Überall in den Dörfern und Städtlein gepflegter, wunderschöner Blumenschmuck, in Beeten, aber auch grossen Töpfen, an Brückengeländern, oben an einer hohen Stange. Auch die Ort­schaf­ten selber sind meistens gepflegt, schön, wenig Zerfallserscheinungen, wenig trostlose Zwanzigster-Jahr­hundert-Architektur.

Mittwoch, 2. Oktober

Unser Frühstück zieht sich etwas in die Länge, so fängt der Touristenstrom schon langsam an sich zu ver­dichten, bis wir beim letzten „Muss“ unserer Reise ankommen: Châ­teau Chenonceau, das Schloss, das teil­weise wie eine Brücke quer über dem Fluss Cher liegt. Eine würdige Krönung, hier ist nun wirklich alles einmalig schön: die Architektur, die Einrichtung, die Umgebung, die Gärten. Beschrieben wurde es auch schon tausendfach – man muss es gesehen, begangen, erlebt haben. Nur noch ein Tip für nicht mehr ganz junge Kulturbeflissene: der Weg vom Schlossgebäude zu den Toiletten ist sehr, sehr, sehr lang.

Nachher fahren wir nach in ein weiteres mittelalterliches Städtchen. Nett, aber Chinon gefiel uns besser. Wir beschaffen noch Material für unser heutiges Nachtessen, wollen heute ausnahmsweise nicht ins Res­tau­rant gehen –die Flasche Rosé von France Naturelle ist ja auch noch da.

Zu später Stunde plaudern und diskutieren wir noch lange mit den anderen zwei Gästen des Hauses.

Donnerstag, 3. Oktober

Auf unsere Bitte hin hat gestern unsere Gastgeberin, in einem Sternerestaurant (na ja… ein Stern) für uns reserviert. Wir wollen nun in aller Ruhe erkunden, wo diese noble Einrichtung liegt. Es ist ein Gebiet, am Südrand von Tours, wo selbst die detaillierte Michelin-Karte nicht mehr alle Abzweigungen, Kreuzungen, Einmündungen, Unter- und Überführungen naturgetreu wiedergeben kann. Wir finden es trotzdem – und beschliessen, am Abend ein bisschen (na ja…) zusätzliches Geld in die Finger zu nehmen und mit dem Taxi hin- und zurückzufahren. Nach einem Monat wollen wir die schöne Reise und baldige Heimkehr unbeschwert feiern.

Von da eine lange Fahrt zu einem der „schönsten Dorf Frankreichs“, so zumindest die Ankündigung. Ich bin immer skeptisch mit Attri­buten wie schönste, beste und so bin ich auch nicht enttäuscht – es ist nett, schön, angenehm, wie Dutzen­de andere aber auch in diesem riesigen Land. Angenehmer Spaziergang dem Flüsschen Indre entlang und danach – noch ein Schloss. Als Zugabe. Auch schön, weil voll eingerichtet, der letzte Besitzer, ein polni­scher Adliger, hat es noch im 19. Jahrhundert bewohnt. Und es ist ein unbeschwerter Genuss: wir sind fast einzige Besucher.

Nun ist Therese am Packen. Vorher bat sie unseren Gastgeber, dass er uns für den Abend ein Taxi bestellt. Der Taxifahrer ist freundlich, sympathisch. Er weiss auch schon, in welches Restaurant wir wollen und wo es ist. Unterwegs frage ich Therese, ob sie die Adresse unserer Unterkunft dabei habe. Ach, du Scheisse! Sie bittet den Fahrer um Hilfe, der weiss ja, wo er uns abgeholt hat. Kein Problem; er gibt uns seine Karte, wenn wir fertig sind, sollen wir anrufen, er bringe uns zurück. Als wir da sind, hat er kein Wechselgeld. Ach, wir können nachher beide Fahrten zusammen zahlen. Er vertraut uns offenbar, dass wir nicht einfach verschwinden. Ach so: das Essen und der Wein sind ausgezeichnet, der Service tadellos, die Einrichtung gediegen, unser Abschiedsfest im kleinsten Rahmen ein voller Erfolg.

Freitag, 4. Oktober

Loire 2Irgendwann nach zehn Uhr Abschied, Abfahrt. Alle drei Standorte der France-Naturelle-Reise waren schön, ange­nehm, die Gastgeber sympathisch, zuvorkommend, und doch jeder Ort, jede Person ganz anders.

Nun gilt es aber, den Flughafen Paris-Orly zu finden – wird wohl kein Problem sein… Vorher will aber Therese eine weitere schlossmässige Zugabe; der Umweg ist vertretbar und Zeit genug glauben wir zu haben.

Ein kleines Chateau in der Sologne, das Schloss zum Anfassen, steht im braunen Buch. Schöne Lage, nett, kaum Besucher – wenn der Umweg aber länger gewesen wäre, wären wir nicht sehr glücklich. Wir sind schon um halb eins da, Besuchszeit im Oktober beginnt aber erst um 14 Uhr, was uns zu einem ganz guten Mittagessen in einer – wie wir meinen – typischen Arbeiterkneipe verhilft. Ich habe das Gefühl, Franzosen geben einen viel höheren Anteil ihres Verdienstes für Essen aus, als ihre germanischen Artgenossen – von den Amerikanern gar nicht erst zu reden. Sehr sympathisch!

Tja, und dann gelingt es uns tatsächlich, Paris-Orly zu finden. Ohne Michelin-Strassen­karte – und ohne Navi, der Mietwagen hat ja keines – wären wir ziemlich aufgeschmissen in dem pariser Feierabendstau.

Nun sind wir wieder zu Hause. Hier scheint alles in bester Ordnung zu sein – auch das Wetter.­ Ich habe drei Kilo zugenommen; Therese nur anderthalb.

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