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Urlaubsreise – das Wasserdorf Zhujiajiao im Yangtsi Delta

Samstag

Heute steht der Besuch von Zhujiajiao auf unserem Programm. Es ist eines der vielen Wasserdörfer außerhalb von Schanghai im Yangtsi Delta. Schon gestern habe ich mir unser Ziel an der Rezeption in chinesisch auf eine Karte schreiben lassen.  So sind wir gerüstet, falls am Busbahnhof niemand Englisch versteht.
Wir stärken uns als erstes mit einem guten Frühstück und nun kann es losgehen. Wir müssen zum  General Station of Shanghai Tour Bus Center, ab dort fahren die entsprechenden Busse. Wir nehmen ein Taxi und ich bin wieder einmal über die Distanzen erstaunt, dieses Bus Center scheint am anderen Ende der Stadt zu sein.

im Busbahnhof

im Busbahnhof von Shanghai

Im  Busbahnhof ist alles sehr neu und deutlich ausgeschildert. Ich gehe mit meinem Zettelchen an den Schalter, erhalte zwei Fahrkarten und einen weiteren Zettel auf dem in Englisch die Nummer des Gates steht. Wie auf dem Flughafen!
Eine halbe Stunde später ist es soweit und wir dürfen einsteigen. Ob wir wohl feste Sitzplätze haben? Auf dem in chinesisch geschriebenen Ticket kann ich das nicht erkennen. „Lass uns einfach hier vorne auf den besten Platz setzen“ ermuntere ich Edith. „Wenn es Platznummern gibt, wird sich schon jemand bei uns melden.“  Und genau so ist es auch.  Es ist ein Ehepaar mit Kind, es ist ihnen peinlich und die Dame auf dem nächsten Sitz schnattert empört auf uns ein. Doch mein hilfloses Schulterzucken, ein freundliches Lächeln und das Vorlegen des Tickets versöhnt sie wieder. Sie gibt eine öffentliche Erklärung an die bereits im Bus sitzenden Passagiere, vermutlich darüber, das wir nicht lesen können. Dann bekommen wir unsere Sitzplätze gezeigt. Sie sind getrennt, Edith sitzt 3 Reihen hinter mir. Doch ein freundliches Ehepaar ist der Ansicht wir sollten es besser haben und tauschen ihre Plätze mit uns. Das wäre nicht nötig, doch ihre Entscheidung ist gefallen und wir können uns nur mehrfach bedanken. Sehr nett! Immer wieder drehen sich die Mitfahrer nach uns um und lächeln wohlwollend. Ausländer im Bus- welch eine Attraktion!

das Wasserdorf Zhujiajiao

das Wasserdorf Zhujiajiao

Eine Stunde später haben wir unser Ziel erreicht und werden an einem Busparkplatz ausgeladen. Der Fahrer zeigt uns noch einmal extra auf seiner Uhr mit den Finger die Abfahrtszeit an und gibt uns mit Handzeichen zu verstehen, dass die Abfahrt auch wieder hier am Parkplatz ist. O.K.- das haben wir verstanden!
Wir müssen ein kleines Stück die Straße entlang , bis wir den Eingang zum Dorf erreichen. Hier, am hölzernen Dorftor,  muss Eintritt bezahlt werden. „Eintritt?“ fragt Edith erstaunt. „In ein Dorf? Wo gibt´s denn so was?“  Hmmm, vielleicht sollte ich das mal auf dem Rathaus in einem  der weißen Dörfer von Andalusien vorschlagen. Ob es eine Prämie dafür gibt?
Wir gehen durch das Tor und halten uns auf der linken Flussseite. Zhujiajiao gilt als eines der schönsten Wasserdörfer des Yangzi-Deltas. Obwohl es für Touristen sehr erschlossen ist, hat es seinen ursprünglichen Charme  nicht verloren. Das Dorf blickt auf eine Geschichte von etwa 1.700 Jahren und war einst  berühmt und wohlhabend durch seinen Reisanbau.
Zahlreiche Flüsse umgeben diesen Ort und es gibt im gesamten 30 Brücken in Zhujiajiao. Die bekannteste ist sicherlich die 70 Meter lange Brücke zur Freilassung, auf chinesisch Fangsheng Qiao. An diesem heutigen Wahrzeichen aus dem Jahr 1812 wurden gefangene, aber nicht benötigte, Fische wieder ausgesetzt.

Notizbücher aus Leder, handgemacht

Notizbücher aus Leder, handgemacht

Wir bummeln langsam am Ufer entlang, beobachten die Boote welche  eine Flussfahrt anbieten und begutachten das Angebot in den Geschäften. Es gibt sehr schöne Sachen hier, so z.B. in Leder gebundene Notizbücher auf recyceltem Papier, die der Ladeninhaber selbst herstellt. Seidentücher mit handgemalten Motiven in wunderschönen Farben, handgearbeiteter Schmuck und vieles mehr.  Die alten schmalen Häuser aus der Ming- und Qing-Zeit sind hier erhalten und bewohnt. Es ist, als befinden wir uns in einem großen Freiluftmuseum.
Doch nicht nur Souvenirläden gibt es in diese belebten Geschäftsstraße. Restaurantbesitzer sind dabei sich für den Ansturm des Mittagsessens zu rüsten und rücken Stühle und Tische zurecht. Vor der Tür werden die ersten Plastikschalen aufgebaut in denen Fische, Seeigel und Schildkröten angeboten werden. Unbeholfen und hektisch paddeln die Schildkröten in dem flachen Wasser. Auch die Straßen füllen sich, je später es wird um so mehr füllen sich die Gassen. Da ich nicht das Todesurteil über eine Schildkröte aussprechen möchte, kaufen wir uns süßes Sesamgebäck und knabbern es auf unserem weiteren Spaziergang. „Also ich könnte schon was essen“ erklärt Edith eine Weile später. Doch auf mein Angebot eines weiteren Kekses erhalte ich nur einen verächtlich Blick. „Es gibt hier so viele leckeren Dinge, da will ich doch keinen süßen Keks.“

Schweinshaxen

Schweinshaxen

Ich weiß was Edith im Auge hat! Es sind die Schweinshaxen, die hier überall angeboten werden. Sie haben eine gut gebräunte Farbe und sehen sehr knusprig aus. „Dann kauf dir doch eine!“  ist meine Empfehlung. Ist doch kein Problem. „Und wie und wo soll ich das Essen?“ Eine gute Frage! Die Schweinshaxen sind am Stück, nimmt man die nun in die Hand und nagt am Knochen?  Mit Stäbchen ist da sicher nicht beizukommen.  Ich sehe auch keinen, der sich so ein großes Teil kauft. „Vermutlich schneiden sie es dir klein“ rede ich Edith zu.

Besucheransturm in der Goldenen Woche

Besucheransturm in der Goldenen Woche

Damit bleibt immer noch die Frage „Wo?“ Inzwischen ist es so voll, wir werden einfach nur nach vorne geschoben. Essen inmitten dieser drängenden Menschenmassen? Es ist nach wie vor die Goldene Woche des Nationalfeiertags, eine der Hauptreisezeiten für die Chinesen.
Wir suchen uns einen anderen Weg, biegen nach links ab und sind in einem ganz anderen Bereich dieses Wasserdorfes. Hier gibt es keine Restaurants und keine Geschäfte. vor den Häusern sitzen geruhsam Familien, in einem kleinen Innenhof wächst Gemüse und eine Großfamilie deckt den Mittagstisch auf einem Hausboot. Es ist eine Wohngegend in der wir uns hier befinden.  Erholsam!! Doch ewig  bleiben möchten wir hier nicht, wir gehen zurück zur Brücke der Freilassung und überqueren den Fluss. Auf dieser Seite können wir erkennen ,wie verzweigt diese Wasserstraßen sind. Zhujiajiao wird nicht umsonst das Venedig von China genannt.

große Wäsche am Fluss

große Wäsche am Fluss im Yangtsi Delta

Das Wasser dient nicht nur als Straße, sondern wird auch benutzt um Wasser zu holen und Wäsche darin zu waschen. Obwohl ich das bei dem grün-trüben Wasser nicht unbedingt tun würde. Wo gehen wohl die Abwässer der Haushalte und Restaurants hin? Vermutlich besser, wenn ich es nicht weiß und dies hier als romantisches Dorf in Erinnerung behalte.
Auf dieser Flussseite ist auch das 1903 eröffnete Postamt, der Kenzhi- Garten und der Stadt Tempel.  Wir entscheiden uns den Tempel zu besuchen und folgen den Hinweisschildern.

im Stadt Tempel

im Stadt Tempel von Zhujiajiao

Es ist ein kleiner Tempel, doch trotzdem gut besucht. Wie in den anderen Tempeln können hier kleine rote Stoff-oder Papierfähnchen gekauft werden. Darauf schreibt man seinen Wunsch nach Gesundheit, Kindersegen oder was auch immer einem am Herzen liegt. Dies kann auch für ein Familienmitglied oder Freunde sein.  Auch ich habe schon solche Fähnchen in Tempeln beschriftet und aufgehängt , man kann ja nie wissen- vielleicht hilft´s!
Als ich auf die Uhr schaue kann ich es kaum glauben! Es ist bereits halb vier, unsere Zeit ist fast vorbei. „Lass uns irgendwo etwas trinken gehen“ schlage ich vor „ich bin beinahe am verdursten!“
Wir finden ein kleines Lokal in dem nur Getränke und Kuchen angeboten werden und machen dort eine Pause. Mit Blick auf den Fluss und die vorbeiziehenden Touristen genießen wir unsere Rast.

Restaurants um die Mittagszeit

Restaurants um die Mittagszeit im Yangtsi Delta

Ich habe mir ein großes Bier bestellt und der erste Schluck macht wirklich ein lautes „Zisssssch!!“  Über fünf Stunden waren wir nun unterwegs.  „Wir sollten so langsam in Richtung Bus gehen, nicht das wir den noch verpassen“  mahnt Edith mit einem weiteren Blick auf die Uhr. Und so schlendern wir langsam am Ufer zurück zum Stadtausgang. Auf dieser Seite sind fast nur Restaurants, die davor stehenden Mülleimer laufen über und die Kellner räumen die letzten Tische ab. Der große Ansturm ist vorbei.  Ein paar überlebende Schildkröten dümpeln in den letzten  flachen Wasserlachen in  Plastikschüsseln dahin. Ein Aufschub von 24 Stunden!

eine der 30 Brücken

eine der 30 Brücken im Wasserdorf

Eine letzte Brücke müssen wir überqueren und sind bald wieder am Ausgang von Zhujiajiao und natürlich auch viel zu früh am Busparkplatz. Aber was soll´s, besser so als umgekehrt.
Ist ja kein Problem, es gibt genug zu sehen. Die ersten Busse fahren ein, die Fahrer unterhalten sich und rauchen eine letzte Zigarette bevor die Gäste eintreffen. Die Busse sind nach Reisegruppen beschriftet, einige tragen die Aufschrift einer Schifffahrtsgesellschaft. Yangtse- Kreuzfahrt steht dort in deutsch geschrieben. Ein anderer Bus hat ein Schild mit einer holländischen Aufschrift hinter seiner Windschutzscheibe. Die Fahrer schauen zu uns herüber, unterhalten sich und besprechen sich mit dem Parkplatzwächter der ebenfalls zu uns herüber blickt. Kurz darauf kommt der Wächter und einer der Fahrer auf uns zu. „Your bus is here!“ erklärt uns der Fahrer mit einem Lächeln. Er deutet auf einen schwarz-goldenen Reisebus ca. 50 Meter entfernt.  Ich schüttle den Kopf, denn ich bin mir sicher, das ist nicht unser Bus. Doch die beiden glauben mir nicht! Ich versuche ihnen mein Ticket zu zeigen, doch sie würdigen es keines Blickes. „Go,Go!“  erklärt der Wärter mit energischer Stimme und zeigt in Richtung des Busses. Wieso? Was hat er dagegen wenn wir hier stehen?  „Come with me!“ insistiert auch der Fahrer und geht voran in Richtung des fremden Fahrzeuges. Ich werde unsicher, wieso sind die beiden so fest überzeugt? Neugierig folge ich dem Fahrer. Es ist ein Luxus-Reisebus, fünf Sterne prangen an seiner Tür. Und das Schild einer Yangtse -Kreuzfahrt!  Der Fahrer öffnet mir die Tür und bedeutet uns einzusteigen. „No, no!“ protestiere ich,  zeige auf das Kreuzschiff-Schild und halte ihm nochmal mein Ticket unter die Nase. Jetzt wirkt es! Er schaut fassungslos  auf das Ticket, gibt ein lautes „Oh!“ von sich, die Bustür schließt sich blitzschnell mit einem  lauten Zischen und wir gehen zurück zum Parkplatz. Dort gibt es eine kurze Lagebesprechung mit dem Parkplatzwärter und ich habe das Gefühl es ist beiden peinlich.  Es war mit Sicherheit eine Verwechslung mit zwei anderen Europäerinnen die uns in Haarfarbe und Statur ähnlich sind. Eigentlich nichts Schlimmes, kann passieren. Und im Grunde doch nett gemeint. Sie wollten uns die Möglichkeit geben, bequem im Bus zu warten, anstatt auf dem staubigen Parkplatz zu stehen.  Der Wächter verzieht sich in sein Kassenhäuschen, allerdings nicht ohne Edith vorher noch seinen wackligen Hocker als Sitzgelegenheit  anzubieten.
Nun kommen die Rundreisenden und die Kreuzfahrer, steigen in den jeweiligen Bus und der Parkplatz leert sich. Unser Bus ist schon überfällig, haben wir ihn doch verpasst? Doch nein, da ist ja die Dame von der Hinfahrt, die unsere Leseschwäche bekannt gemacht hat.  Und da kommt das freundliche Ehepaar, das den Platz mit uns getauscht hat. Nach und nach sehen wir die bekannten Gesichter und alle nicken uns freundlich zu. Wir sind eben eine Gruppe!
Mit zwanzig minütiger Verspätung kommt der Bus, rasch steigen wir ein und sind eine Stunde später wieder in Schanghai auf dem Busbahnhof. Jetzt brauchen wir nur noch ein Taxi zum Hotel. Doch das gestaltet sich das erste mal als schwierig, die Nachfrage hier am Busbahnhof ist größer als das Angebot. Wir gehen auf die andere Straßenseite, es scheint als kommen dort viel mehr Taxen. Doch wir sind nicht die einzigen mit dieser Idee. Der Kampf ist hart, die Leute laufen den Taxen entgegen und versuchen so ihre Mitstreiter auszutricksen.  Doch irgendwann haben wir es geschafft und sind schneller – oder sind wir die letzten?

ein Abschiedsblick auf Schanghai von unserem Hotelzimmer

ein Abschiedsblick auf Schanghai von unserem Hotelzimmer

Müde aber zufrieden mit dem heutigen Tag erreichen wir unser Hotel. Dort gehen wir in das chinesische Restaurant im oberen Stock etwas essen und im Anschluss gönnen wir uns noch zum Abschied ein Glas Wein an der Hotelbar. Es ist der letzte Tag unseres Aufenthaltes in Schanghai, morgen geht es mit der Eisenbahn weiter in das ca. 200 km entfernte Hangzhou. Ein Ort, den im 13. Jahrhundert bereits Marco Polo besucht hat.

Mein vorhergehender Bericht ist erschienen unter: https://www.reiseberichte-blog.com/china-ferienreise-schanghai-seine-altstadt-und-der-yu-garten/

China- Reise September 2012

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Über den Autor

Elke Hoppe

Vor ca. 20 Jahren bin ich von Deutschland nach Spanien ausgewandert, um auf der Sonnenseite Europas leben zu können. Doch auch von hier aus habe ich das Bedürfnis mehr von der Welt kennen zu lernen. Da es mir zeitlich und beruflich möglich ist, mache ich seit 2005 einmal im Jahr eine „große Reise“. Begleitet werde ich dabei von Edith, meiner Mutter, die vor 18 Jahre ebenfalls aus dem deutschen Regen in die spanische Sonne geflüchtet ist. Bisher hat uns unsere Reiselust nach Asien, Kenia und Peru geführt. Für das Jahr 2009 hatten wir uns für Indien entschieden und dort neben Rajasthan inzwischen auch andere Regionen besucht. Auf den Rundreisen in Indien waren wir in Begleitung von unserem Fahrer Prakash Acharya. Er ist ein zuverlässiger und informativer Reisebegleiter, den ich sehr empfehlen kann. Prakash hat sich vor einigen Jahren selbständig gemacht und falls jemand mit ihm eine Rundreise machen möchte bin gerne bereit den Kontakt herzustellen.

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