Peru Urlaubsbericht – mit dem Bus von Arequipa bis Puno am Titicaca-See
Samstag
Arequipa – Puno
Gestern Abend habe ich sicherheitshalber den Wecker gestellt, denn heute soll es früh losgehen. Nach unserer langen Nacht im Bus nach Arequipa habe ich Wilson gebeten mit der Agentur abzusprechen, dass wir bei dieser Busfahrt mittags in Puno ankommen. Gestern teilte mir Wilson mit, das es zwei Busse gibt – einer mittags um 12ººh, das ist der „Bessere“, oder morgens um 8:30 h ein ganz „normaler“ Bus. Wir entscheiden uns für den „normalen“ Bus damit wir am Nachmittag an unserem Ausflug nach Sillustani teilnehmen können.
Um halb acht werden wir von Wilson abgeholt und fahren zu dem Haltepunkt der Busgesellschaft. Hier herrscht reger Betrieb, es gibt zwei Wartehallen und beide sind voller Menschen. Wilson fragt sich für uns durch: „Wo fährt denn der Bus nach Puno ab?“ Ein Angestellter der Gesellschaft weist auf das andere Gebäude, die größere und vollere Halle.
Wilson zeigt uns genau wo der Bus ankommt und gibt uns noch einige Instruktionen darüber, wann wir uns wo anstellen müssen. „Vor allem früh genug in die Warteschlange einreihen, das ist besonders wichtig!“ lautet einer seiner guten Ratschläge. Gibt es in dem Bus denn eine Toilette? Wilson wirft mir einen teilnehmenden Blick zu „Nein, ich glaube nicht“ meint er „aber wenn es dringend ist, einfach beim Fahrer an die Trennscheibe klopfen und Bescheid geben, er hält dann irgendwo.“ Ein kurzer Blickwechsel mit Edith, im Moment sind wir fest entschlossen: wir halten durch!
Zum Abschied bekommen wir von Wilson unsere Tickets und noch mal den Hinweis, auf die Kennzeichnung des Gepäcks zu achten.
Bis zum Einreihen in die Warteschlange bleiben wir in der Halle sitzen. Eine halbe Stunde vor Ankunft des Busses befolgen wir Wilsons Ratschlag und stellen uns nach draußen. Tatsächlich,wir sind nicht die einzigen und da kommt ja auch schon ein Bus. Das scheint mir sehr früh, ich frage lieber noch mal nach. „Nein, der Bus fährt nicht nach Puno sondern an die Küste“ ist die Auskunft. Im Rückwärtsgang müssen wir uns aus der Warteschlange drängeln. Bei den nächsten zwei Bussen haben wir schon dazugelernt und stehen nicht direkt vor der Einstiegstür.
Inzwischen weiß fast jeder Reisende unser Ziel und ein netter Herr kommt hilfreich auf uns zu: „Die Busse nach Puno gehen von dem anderen Gebäude ab“. Ich sage ihm, dass sich unser Reiseleiter erkundigt hat und ein Angestellter der Busgesellschaft hat uns die Auskunft gegeben. Er glaubt mir nicht und ist sich seiner Sache so sicher, dass auch ich am Ende verunsichert bin. Was nun? Die Zeit wird knapp, der Bus müsste schon hier sein. Also verlassen wir unseren Warteschlangen- Platz und gehen mit unseren Ziehköfferchen quer über den Parkplatz mit rangierenden Bussen in die andere Halle. Dort bekommen wir eindeutige und klare Auskunft: das andere Gebäude!
Als wir zurück kommen geht uns der nette Herr mit verlegenem Blick aus dem Weg, es ist ihm sichtlich peinlich. Aber jeder kann sich mal irren und wir nehmen seinen guten Willen einfach für die Tat. Denn natürlich ist die Zeit nicht knapp, in Peru kommen die Busse immer ein wenig später.
Endlich fährt der Bus nach Puno auf den Hof und wir sind am richtigen Gebäude, aber leider in der falschen Warteschlange. Da es vielen so geht ist das kein Problem, mit einem freundlichen „perdone“ drängelt jeder an jedem vorbei. Das Gepäck wird eingeladen, der Gepäckschein auf das Ticket geklebt und wir können einsteigen. Unser Platz ist in der dritten Reihe und nachdem wir sitzen schaue ich mich neugierig um. Der Bus scheint voll zu sein, ich sehe keinen freien Sitzplatz. Aus den Gepäckablagen quellen Taschen und Tüten und viele Reisende machen einen übernächtigten Eindruck. Wo kommt der Bus denn her? Aus Nasca? Da ist er aber sehr pünktlich, bei der weiten Strecke nur eine halbe Stunde Verspätung!
Nachdem das Gepäck verstaut ist und jeder Passagier seinen Platz hat geht es los. Auf der rechten Seite taucht der schneebedeckte Gipfel eines der drei Vulkane von Arequipa auf. Ob das wohl der berühmte Misti ist?
Nachdem wir die Stadt verlassen haben erhebt sich ein Herr und begrüßt die Fahrgäste. Er wünscht uns einen schönen Tag, eine gute Fahrt und schildert sein Vertrauen in Gott. Das nächste Thema ist seine Behinderung als Spastiker und die Anstrengung klar und deutlich zu sprechen. Aber es gelingt ihm und er wird verstanden, als er erklärt wie schwer es für ihn ist Arbeit zu finden. Da er jedoch wie jeder Mensch ein Einkommen braucht, verkauft er Süßigkeiten im Bus. Er verteilt an jeden drei Päckchen „Karamellos“. Danach geht er durch die Reihen und wer kaufen möchte kann kaufen oder die Süßigkeiten an ihn zurückgeben. Natürlich kaufen wir ihm, wie fast jeder den wir beobachten, seine Schokoladenbonbons ab. Hoffentlich hält das Papier, sonst habe ich nachher geschmolzene Schokolade in meiner Handtasche. Der nächste Stopp ist in einem Dorf, er verabschiedet sich und wünscht uns noch eine gute Reise.
In diesem Ort steigt eine ältere Frau mit zwei grossen Taschen zu. Sobald der Bus angefahren ist steht sie auf und geht leise und diskret von einer Sitzreihe zur nächsten, sie verkauft hartgekochte Eier und gekochte Kartoffeln.
Diesmal passen wir, wir hatten ja eben erst unser Frühstück. An der nächsten Ortschaft verlässt sie den Bus und für einen Moment ist es ruhig. Doch da kommt schon der nächste Auftritt! Ein junger Mann geht mit seinem Aktenkoffer nach vorne, packt eine dicke Broschüre aus und beginnt mit seinem Vortrag. Über die heutige ungesunde Ernährung, die Hühnerzucht in großen Farmen und nicht einmal die Kartoffeln besitzen noch ihre vollwertigen Vitamine und Mineralien.
Da müssen ja Mangelerscheinungen auftreten! Aber er hat das Mittel der Wahl: Noni! Nun werde ich munter- Noni? Das interessiert mich, ich habe mit Noni schon gute Erfahrung gemacht. Er klärt den Bus laut und ausführlich über die Vorteile seines Präparates auf. Eine Nahrungsergänzung und einfach anzuwenden! Morgens einen Beutel des Noni-Pulvers in ein Glas Milch oder Saft und das Leben sieht ganz anders aus. Die Kinder bringen bessere Schulleistungen, die Erwachsenen haben mehr Energie und damit beruflichen Erfolg. Er beendet seine Verkaufsshow mit dem Verteilen der Tütchen mit dem Noni Pulver, so kann jeder in Ruhe lesen was in so einer kleinen Tüte enthalten ist. Vorsichtig, um nicht das Papier des Schokoladenbonbons zu beschädigen, hole ich meine Brille aus der Tasche und lese mir die Inhaltstoffe durch. Der von ihm genannte Preis für Noni ist wirklich super. Nur leider, es ist nicht nur Noni in dem Pulver. Der Noni-Anteil ist nur 30% und der Rest besteht aus einem appetitanregendem Vitamin. Nein, dass brauche ich wirklich nicht und einen Appetitbremser hat er vermutlich nicht dabei. Also komme ich mit ihm nicht ins Geschäft. Er findet aber einige Abnehmer im Bus und so hat sich sein Vortrag für ihn gelohnt.
Inzwischen durchfahren wir eine sehr karge Landschaft, weit und breit kein Haus zu sehen. Wo will der junge Mann denn hier aussteigen? Will er gar nicht! Ein zweites Mal öffnet er seinen Koffer und zaubert ein weiteres Prospekt hervor. Diesmal geht es um Zahnhygiene! Wer will schon Mundgeruch? Keiner! Und gelbe Zähne? Wo doch ein Lächeln so wichtig ist! Doch bei ihm können wir ein Pulver kaufen und einmal die Woche angewendet sind die Zähne strahlend weiß und hygienisch sauber. Auch diesmal findet er in mir keinen Kunden, ich fürchte um die Lackierung meiner Zahnkronen. Tut mir leid! Auf jeden Fall hat sein Programm für Unterhaltung gesorgt, besser als Bruce Willis bei unserer letzten Busfahrt.
Nun tauchen wieder die ersten Häuser einer Ortschaft auf und „Bruce Willis“ verlässt uns.
Doch kurz darauf ein weiterer Stopp. Nanu, zwei Haltestellen in so einem kleinen Ort? Es ist jedoch ein unfreiwilliger Halt: eine Verkehrskontrolle. Zwei uniformierte Herren steigen ein und möchten von den Fahrgästen wissen ob auch jeder einen Sicherheitsgurt hat. Drei Fahrgäste melden sich und der Rest schweigt. Ich schaue bei uns genau nach, aber es ist kein Sicherheitsgurt zu sehen. Die Beiden steigen wieder aus und gespannt beobachten alle die Verhandlungen zwischen Fahrer und Kontrolleuren. Die Wagenpapiere werden durchblättert und ein dritter Kontrolleur umkreist den Bus. Unsere Mitreisende scheinen etwas beunruhigt, ein freundlicher Herr erklärt mir, dass dies keine Polizei sondern nur Verkehrskontrolle sei. Aber manchmal seien die sehr streng, vor allem wenn, so wie heute, eine Frau mit dabei ist.
Auch ich mache mir so meine Gedanken. Da wird doch nicht der Bus stillgelegt werden? Auf halber Strecke nach Puno? Wie kommen wir dann weiter?
Doch die Probleme lassen sich regeln und nach einer halben Stunde Aufenthalt dürfen wir weiterfahren. Was war denn nun außer den Sicherheitsgurten? „Öl“ klärt mich der freundliche Herr auf „der Bus verliert Motoröl.“ Das ist besser als Bremsflüssigkeit, denn inzwischen durchfahren wir eine sehr gebirgige Landschaft. Am Horizont zeigen sich schneebedeckte Berge und auf den kargen Wiesen grasen Lamas und Alpakas. Neben der Haltestelle in einem kleinen Dorf findet ein Wochenmarkt statt. Auf der Strasse sind bunte Wolldecken auf dem Boden ausgebreitet mit einem reichhaltigen Warenangebot.
Auf der Weiterfahrt wird das Land immer karger und dann glaube ich meinen Augen nicht zu trauen: Schnee! Schon eine Weile war die kühlere Temperatur zu spüren und die Fenster bleiben seit unserem letzten Stopp geschlossen, doch mit Schnee habe ich nicht gerechnet.
Wir sind, nach der Landschaft zu urteilen, nun auf dem höchsten Punkt dieser Busfahrt angekommen und, soweit ich weiß, soll dieser Pass über 5.000 m hoch sein. Tatsächlich verändert sich nicht viel später die Vegetation und es wird wieder grüner, es sind wieder Lamas und Alpakas zu sehen. Und auf der anderen Seite? Ich schaue nach links aus den Busfenstern. Schwere dunkelgraue Wolken hängen tief am Himmel, das sieht nicht gut aus. Kurz darauf geht es auch los und ein sintflutartiger Regen setzt ein. Das Wasser prasselt gegen die Fenster und die Sicht wird immer schlechter. Hoffentlich sind die Scheibenwischer des Busses besser als die an meinem Auto zu Hause!
Inzwischen kommen wir mit unseren Mitreisenden ins Gespräch. Die Hauptfrage: wo wir herkommen und wo wir hinwollen. Jeder hat ein paar gute Tipps und möchte wissen wie es uns gefällt. „Sehr gut, ein wunderschönes Land“ und nach dieser ehrlichen Antwort wird uns nicht nur Freundlichkeit, sondern auch sehr viel Sympathie entgegengebracht. Es stellt sich heraus, dass der freundliche Herr einen deutschen Schwiegersohn hat und sogar einige Wörter Deutsch kennt. Absolut perfekte Aussprache besteht bei Prost und Bratwurst.
Die Zeit vergeht rasch bei soviel Unterhaltung und wir kommen in die Nähe von Juliaca, eine Stadt mit Flughafen und eine halbe Fahrstunde von Puno entfernt. Nun jedoch, bei strömendem Regen, sieht Juliaca nicht sehr einladend aus und wir sind froh im Bus bleiben zu können. Die meisten Fahrgäste sind an ihrem Ziel angekommen, auch der freundliche Herr steigt hier aus. Es ist von hier nicht weit bis Puno, beim nächsten Halt können wir aussteigen und ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel: „Bitte lieber Petrus, lass es aufhören zu regnen!“ Petrus hat mich gehört. Als wir uns Puno nähern lässt der Regen nach und die Sonne schaut zaghaft hinter einer Wolke hervor. Puno liegt am Ufer des Titicacasees und da wir uns über die Berge nähern, haben wir bei der Anfahrt einen schönen Blick auf die Stadt.
Bei der Einfahrt auf den Halteplatz knoble ich mit Edith: wer kümmert sich um das Gepäck und wer sucht die Toilette? Edith gewinnt und ich muss auf das Gepäck warten! Mit unseren beiden Ziehkoffern gehe ich auf den Ausgang zu und hier steht schon die Reiseleitung mit dem Schild Elli Hope. Ob ich alleine bin, fragt sie mich etwas erstaunt. Ich erkläre ihr wo Edith ist, und dass im Bus keine Toiletten waren. „Doch“ meint sie „natürlich sind in dem Bus Toiletten. Sie müssen nur beim Beifahrer den Schlüssel holen.“ Ach ja? Damit ist ein weiteres Rätsel gelöst! Jetzt weiss ich,was die Fahrgäste zwischendurch von dem Beifahrer wollten. Warum habe ich eigentlich nicht gefragt?
Als wir im Taxi Richtung Hotel sitzen gibt uns die Reiseleitung unser Programm für die Zeit am Titicacasee: heute Nachmittag frei, morgen auf die Schilfinseln und nach Taquile, übermorgen früh geht es zum Busbahnhof um mit dem Bus nach Cusco zu fahren. „Mit dem Bus?“ frage ich „wieso mit dem Bus? Wir haben eine Eisenbahnfahrt nach Cusco. Erste Klasse im Nostalgiezug und eines der Highlights auf dieser Reise“. Davon weiß sie nichts, aber sie will sich darum kümmern.
„Und warum den Nachmittag frei? Wir sollten doch nach Sillustani?“ Sie telefoniert mit ihrem Büro und teilt uns mit: „Ja, ihr könnt noch mitfahren, der Bus geht erst in fünf Minuten.“ Mit Gepäck? Direkt vom Bus aus? Sie telefoniert noch mal und wir bekommen eine Verschnaufpause im Hotel. „Wie lange braucht ihr? Zwanzig Minuten, reicht das?“
Wir schaffen es in fünfzehn Minuten! Koffer abstellen, ein wenig frisch machen und los geht’s. Mit dem Taxi und der Reiseleitung fahren wir nach Sillustani. Dort werden wir uns während der Besichtigung einer Reisegruppe anschließen und mit deren Bus zurück nach Puno kommen.
Sillustani ist eine alte Grabstätte deren Gründung bis vor die Zeit der Inka zurückreicht. Die ersten Grabtürme wurden von den Colla erbaut, ein kriegerischer Stamm dessen Sprache – Aymara – heute noch in der Umgebung des Titicacasees gesprochen wird. Aber viele Funde resultieren auch aus der Inkazeit, wie z.B. ein nur ein Meter tief verborgener Schatz, der neben unzähligen Schmuckstücken auch fast 4 kg Gold enthielt.
Als wir ankommen ist die Reisegruppe schon einige Meter voraus und wir müssen aufholen. Das ist nicht einfach, denn es geht bergan und wir befinden uns in fast 4.000 m Höhe. Zum „akklimatisieren“ war noch keine Zeit. Wir entscheiden uns langsam zu gehen, im schlimmsten Fall treffen wir die Gruppe auf ihrem Rückweg.
Unseren ersten Halt machen wir unterhalb eines Turmes, wie ich später erfahre ist er von allen der am besten Erhaltene.
Hier haben wir einen sehr idyllischen Ausblick: grüne Wiesen mit einer Herde Alpakas, die von einem kleinen Mädchen gehütet werden. Interessiert kommt sie näher und ich frage ob ich ein Foto machen kann. Die Antwort ist ein schüchternes Nicken und die leise Frage „bekomme ich ein Bonbon?“ Aber sicher, ich habe ja noch die Schokoladenbonbons aus dem Bus und geschmolzen sind sie Gott sei Dank auch nicht.
Dann geht es in ruhigem und gemächlichem Tempo weiter hinauf, auch die Gruppe lässt sich Zeit. Wir sind anscheinend nicht die einzigen, die mit der dünnen Luft kämpfen. Nach einigen Minuten haben wir die Gruppe eingeholt. Ich stelle mich dem Reiseleiter vor; er wusste, das noch zwei Gäste zu seiner Gruppe stoßen. Stück für Stück geht es weiter mit regelmäßigen Stopps, bei denen uns der Reiseleiter über den Begräbniskult der Colla- und Inkakultur berichtet. Jetzt soll es den letzten Hügel hinauf gehen, doch Edith streikt. Von hier unten sieht sie auch alles, weiter hoch geht sie nicht. Sie möchte sich hier in einer windgeschützten Ecke in die Sonne setzen und warten bis wir wieder runter kommen. Ich selbst beiße die Zähne zusammen, bereue jede Zigarette der letzten Wochen und gehe mit der Gruppe hinauf.
Es hat sich gelohnt, ich habe einen fantastischen Ausblick auf den See Umayo und die Umgebung von Sillustani. Auch Edith kann ich sehen, sie hat inzwischen Gesellschaft und unterhält sich. Ein wenig weiter rechts sitzt eine Indígena in bunter Kleidung und hat ein Tier bei sich, das von weitem aussieht wie ein Vicuña. Der kalte Wind und die Neugierde treiben mich wieder hinunter und tatsächlich, die Frau hat ein zahmes Vicuña bei sich. Gegen eine kleine Spende dürfen Edith und ich fotografieren und das Tier mit den großen sanften Augen streicheln. Es ist viel kleiner und zartgliedriger als ein Lama und die Beine wirken zerbrechlich. Vicuñas werden nicht domestiziert wie Lamas oder Alpakas. Sie leben in freier Wildbahn und nur einmal im Jahr dürfen sie zusammengetrieben und geschoren werden. Vicuñas stehen unter Naturschutz und den Rest des Jahres leben sie in Freiheit. Die Wolle dieser Tiere ist sehr fein und hochwertig, ein Schal kostet um die 600 bis 700 €.
Nun müssen wir uns verabschieden, die Reisegruppe ist auf dem Rückweg zum Bus. Der Himmel ist wieder mit dunklen Wolken bedeckt und der Wind pfeift bitterkalt. Auf dem Weg zum Parkplatz passieren wir einige Verkaufsstände und ich entdecke Pullover. „100% Baby-Alpaka!“ versichert uns die Verkäuferin „100% Handarbeit!“ Hauptsache warm, das ist mir im Moment das wichtigste! Ich suche mir den wärmsten und dicksten Pulli aus und dann retten wir uns so schnell wie möglich in den warmen und wind-sicheren Bus.
Unser Reiseleiter hat zum Abschluss ein Angebot für seine Gäste: wenn wir möchten, können wir an einem der Bauernhäuser halten und die dort lebende Familie besuchen. Wir bekommen Haus und Hof gezeigt, natürlich wäre es nett wenn jeder als Dankeschön ein kleines Trinkgeld gibt. Das hört sich gut an und da alle einverstanden sind, halten wir unterwegs an einem aus Naturstein gebauten Gehöft. Die Familie hat sich für unseren Besuch chic gemacht, außer dem etwa dreijährigen Jungen tragen alle die farbenprächtige traditionelle Kleidung. Eine junge Frau begrüßt uns am Eingang und wir werden von ihr in einen Innenhof geführt. Hier sind die wichtigsten Lebensmittel der Andenbewohner aufgebaut: Kartoffeln und Mais, Käse, Eier und eine graue, undefinierbare Paste. Was mag das sein? Es ist Kalkstein! Die Steine werden gemahlen, mit Wasser verrührt, gesalzen und wie eine Soße verwendet. Wir dürfen von allem probieren und der Käse ist entschieden gefragter als die Kalksteinpaste. Ich probiere die Paste zuerst sehr vorsichtig, dann schon mutiger. Der Geschmack erinnert mich an Kalktabletten, die ich als Kind für gesunde Zähne bekommen habe.
Im Anschluss an diesen „Imbiss“ dürfen wir uns auf dem Hof umschauen. Hinter dem Wohnhaus sind Ställe für die Alpakas, welche im Moment noch vor dem Haus grasen und bei Einbruch der Dunkelheit in den Stall geführt werden. Direkt an das Haus ist ein kleines Gehege mit Miniaturställen angebaut und in dem Auslauf befinden sich etwa ein Dutzend Meerschweinchen. Diese possierlichen Tiere, die wir in Europa als Haus- und Kuscheltiere halten, haben in den Anden den gleichen Status wie bei uns die Kaninchen: sie dienen als Nahrung.
Unser Besuch endet schnell und abrupt als die ersten großen Regentropfen fallen und auch der Wind fegt wieder eisig um alle Ecken. Die Gruppe stürmt zum Bus, jedoch selbstverständlich nicht ohne sich vorher mit einem kleinen Betrag für die Gastfreundschaft zu bedanken.
Nun geht es zurück nach Puno, der Busfahrer setzt uns an der Plaza de Armas ab und wir befinden uns nur einige Meter von unserem Hotel entfernt. Rasch gehen wir noch zu einer Wechselstube um die Reisekasse aufzufüllen. Auf dem Weg durch die Fußgängerzone schauen wir nach einem Restaurant, in dem wir später zu Abend essen können. Es gibt eine große Auswahl, sie sehen alle einladend aus und haben kuy (Meerschweinchen) auf ihrer Speisekarte. Wir möchten natürlich auch die landesüblichen Gerichte versuchen.
Zuerst aber wollen wir ins Hotel um uns aufzuwärmen und auszuruhen, denn wir sind ja schon seit heute morgen unterwegs.
In unserem Zimmer angekommen haben wir jetzt auch Zeit uns besser umzuschauen: ein super Zimmer. Alles neu renoviert, das Badezimmer groß, das Bett bequem und die Farben hell und freundlich. Ein großes Fenster mit Blick auf die Strasse lässt genug Licht einfallen und das allerbeste ist eine Heizung. Die setzen wir sofort in Betrieb und krabbeln unter unsere Bettdecken. Hier warten wir bis es uns wieder warm ist und gleichzeitig können wir uns vor dem Essengehen noch ein wenig ausruhen. Mindestens eine Stunde, das nehmen wir uns vor.
Eine Stunde später ist es uns zwar warm, aber aufstehen? Auf die kalte Strasse gehen? Wo doch sicherlich der Wind noch pfeift? Und die „weite, weite“ Strecke von 100 m bis zu einem Restaurant gehen? Und das Restaurant ist im ersten Stock, das heißt ja mindestens 10 Stufen hoch und wieder runter steigen! Wir sind total groggy! Da kommt mir die rettende Idee, das Hotelrestaurant! Als wir ankamen habe ich die Speisekarte durchgelesen, anscheinend französisch angehauchte Küche. Es gibt Forelle mit Champagner-Soße, die kommt bestimmt aus dem Titicacasee und ist sicherlich ganz frisch. Das kuy gehen wir dann morgen Abend essen.
Das Restaurant ist im sechsten Stock und von unserem Fensterplatz können wir die Lichter der Hauptstraße und der Plaza de Armas sehen. Zum Einstieg nehmen wir einen Pisco Sour, lesen nochmals die Speisekarten durch und bleiben beide bei der Forelle und dazu bestellen wir eine Flasche trockenen Weißwein. Es dauert eine Weile bis wir den Pisco Sour erhalten, denn er wird aus der Bar im Erdgeschoss geliefert. Doch wir haben Urlaub und Zeit, es stört uns nicht. Das Warten hat sich gelohnt, der Aperitif ist ausgezeichnet und bringt unsere Energien zurück.
Das Essen leider nicht: Edith rührt ohne große Begeisterung in ihrer Suppe und als die Forelle kommt schauen wir beide etwas fassungslos auf den ausgetrockneten Fisch. Champagner-Soße? Vielleicht unter dem Salatblatt? Nein, da ist sie auch nicht! Schade, aber das Gericht hat mit der Beschreibung der Speisekarte nichts gemeinsam. Da hat jemand eine exquisite Karte zusammengestellt und vergessen dem Koch zu erklären, wie das alles zubereitet wird.
Der Kellner ist freundlich, aber sehr verunsichert da es uns ganz offensichtlich nicht schmeckt. Er räumt die fast vollen Teller peinlich berührt wieder ab.
Dafür ist der Wein gut und wir sind nach kurzer Zeit und der getrunkenen Flasche ausgesprochen fröhlich. Die nötige Bettschwere ist auch da, denn der Tag war lange und anstrengend, vor allem durch den enormen Höhenunterschied. Mit einem dankbaren Blick auf die Heizung legen wir uns in die Betten und sind kurz darauf eingeschlafen.
Hallo,bin zufällig über Ihren Reisebericht gestolpert.Als Peruerfahrene mein Kommentar zu Ihrer Bemerkung über den „peinlich berührten“ Kellner als Sie Ihr Essen zurückgehen liessen. Wahrscheinlich war er einer der unzähligen Peruaner,die oftmals täglich zwei Jobs ausüben müssen,um überhaupt irgendetwas zwischen die Zähne zu bekommen.Er war eher betroffen und zornig über die unsägliche Arroganz,mit der sehr oft die Europäer in dieses Land kommen,es bereisen,sich aber für die Lebensumstände des grössten Teils der Bevölkerung nicht interessieren.Ich hab mich geärgert,als ich das gelesen habe, und mich für Sie geschämt.Trotzdem frohe Weihnachten und viel Spass in Peru!Barbara
Hallo Barbara
Sicherlich bin ich nicht so sehr Peru erfahren wie Sie, doch Sie haben auf jeden Fall recht. Egal in welchem Land, ein fast unberührtes Essen zurück gehen zu lassen macht einen sehr schlechten Eindruck.Doch es gibt überall Grenzen und die sind bei mir erreicht, wenn ein Fisch unbekannter Herkunft und vor allem unbekannten Alters auf meinem Teller liegt. Wer schon einmal eine Fischvergiftung hatte wird mich sicherlich verstehen.
Der Kellner war keineswegs zornig, wir haben uns am folgenden Tag mit ihm unterhalten. Er erzählte uns, unter anderem, von den Arbeitsbedingungen. Auf Grund der langen Arbeitszeiten kann er leider keinen zweiten Job annehmen wie viele seiner Landsleute. Er ist daher auf nur ein Gehalt und die Trinkgelder angewiesen. Das Essen, berichtete er uns, sei schlecht und wird von allen Gästen kritisiert.Und schlechtes Essen bringt leider sehr häufig schlechte Trinkgelder, obwohl er doch gar nicht koche.
Die peruanische Küche ist sehr gut, reichlich und schmackhaft. Am besten geht man jedoch, wie wir das meist auch getan haben, dorthin wo auch peruanisches Essen angeboten wird.
Ich wünsche Ihnen ebenfalls noch einen harmonischen Feiertag, einen guten Start in das Jahr 2010 und schöne Aufenthalte in Peru, einem wunderschönen und sehr gastfreundlichem Land.
Mit freundlichen Grüßen
Elke Hoppe
Hallo,
bin gerade zufällig auf Ihren Beitrag über die Busfahrt von Arequipa nach Puna gestossen. Da ich Anfang Julia für drei Wochen nach Peru reisen werde habe ich hierzu ein paar Fragen. Ich habe vor eine Woche einen Sprachkurs in Arequipa zu besuchen, danach 2 Wcohen Sprachkurs in Cusco. Und genau da kommt das Problem: Die Reise von Arequipa nach Cusco. Ich würde gerne einen Zwischenstopp in Puno einlegen. Ist es als Alleinreisende Frau mit nur geringen Spanischkenntnissen gefährlich diese Strecke alleine zurück zu legen???? Bzw. wie sieht es mit der Höhe aus? Hattet Ihr Probleme mit dem Höhenunterschied??
Über eine schnelle Antwort würde ich mich sehr freuen.
Und ach ja: In welchem Hotel habt ihr in Puno übernachtet und habt ihr eure Reise selbst organisiert bzw. geplant oder über eine Reiseagentur gebucht??
Hallo Stefanie
es ist in Peru kein Problem als Frau alleine zu reisen. Die Peruaner sind uns sehr freundlich und hilfsbereit entgegen gekommen. Ich habe in den Wochen in Peru mehr allein reisende Frauen als allein reisende Männer kennen gelernt und nie etwas negatives gehört bzw. nichts negatives erlebt. Auch in meinem Bekanntenkreis gibt es Frauen, die Peru alleine bereist haben, ohne Sprachkenntnisse, und alle sind begeistert. Es ist natürlich wie überall, ein wenig aufpassen muss man immer. Egal ob Deutschland, Spanien oder Peru. Lassen Sie sich den Zwischenstopp in Puno nicht entgehen, er ist es auf jeden Fall wert. 🙂
Die Höhe hat uns Gott sei Dank keine Probleme bereitet, und durch Ihren Aufenthalt in Arequipa (ca.2000 m) haben Sie sich ja schon ein wenig an Höhenluft gewöhnt. Wir haben gegen gelegentliche leichte Kopfschmerzen das peruanische Hausmittel Cocatee getrunken. Der wird in jedem Hotel, Restaurant usw. angeboten.
Die Hotels haben wir durch einen Reiseveranstalter vorab buchen lassen. Den Namen des Hotels weiß ich im Moment nicht mehr, werde aber danach suchen und mich dann nochmals mit Ihnen in Verbindung setzen.
Liebe Grüße
Elke
Hallo Frau Hoppe,
ich habe Ihren Reisebericht gelesen und würde gerne wissen wollen, ob es auch möglich ist in Peru einen privaten Taxifahrer zu finden (wie es z. B. in Indien problemlos möglich ist),jemand der Englisch spricht und diese große Rundreise mit 2 Pers. durchführen kann? Wir haben große Bedenken die öffentlichen Verkehrssmittel zu nutzen, da unsere Sprachkenntnisse nicht ausreichen. Können Sie mir noch Informationen über Preise (Hotels, Essen, Taxifahrten) geben, oder haben Sie alles im Koplettpaket gebucht? Habe bezüglich eines Taxifahrers schon Hotels und Reiseagenturen in Lima angemailt, leider ohne Erfolg. Alle wollen nur komplette teure Touren verkaufen.
Über eine Mail von Ihnen würde ich mich sehr freuen.
Viele Grüße
Vera
Hallo Vera
wir waren auf unserer Reise nur teilweise mit dem Bus unterwegs, die ersten Tage hatten wir einen Fahrer. Das ganze haben wir komplett gebucht bei El Dorado Travel. Der Besitzer ist Peruaner aus Arequipa und war bei der Buchung sehr hilfsbereit, flexibel und informativ. So fanden wir gemeinsam eine Kombination von Auto, Bus und Eisenbahn. Damit hatten wir die Möglichkeit individuell zu reisen ohne jeweils vor Ort nach Bus-oder Bahnverbindungen suchen zu müssen. Für ausführlicher Information werde ich mich direkt mit Ihnen in Verbindung setzen.
Viele Grüsse
Elke